Die Aufgaben von heute
Von Frank Schwarzberg
Robert Plant sucht einen Song auf seinem Handy, ein Musiknerd, der Mann: »Ich kann eine sexy night mit einer Frau haben, und binnen zwei, drei Stunden ist sie beim Zuhören eingeschlafen, weil ich über James Carr rede, darüber, dass er in einem Unterschlupf hauste oder so was …« (Soulsänger James Carr: »The Dark End of the Street«). Gefunden: Plant hält dem Mojo-Interviewer das Gerät vor die Nase: »Du kennst Nora Brown nicht? Deine Welt wird von nun an eine andere sein« (Nora Brown: »The Wedding Dress«). Plant entdeckte Brown vergangenes Jahr auf einem Festival; seitdem eröffnet der Ex-Leadsänger von Led Zeppelin Konzerte mit diesem Song.
Moment, Konzerte? Klar, es gab 2021 – nach 14 Jahren Pause – ein Wiederaufflackern der Raising-Sand-Gesangsromanze mit Alison Krauss, danach noch ein paar Auftritte mit einer US-All-Stars-Band – aber 2024?
Doch, denn schon ein paar Jahre vor der erneuten Zusammenarbeit mit Alison Krauss traf Plant befreundete Musiker seiner Herkunftsregion (westlich von Birmingham, dem Black Country), hing mit ihnen ab, musizierte. Kurze Entfernungen, keine Erwartungen. Die sechsköpfige Band heißt Saving Grace; seit 2019 nehmen sie Songs auf. Ihre ersten Auftritte fanden ohne großes Tamtam – ohne Plants Namen auf den Plakaten – statt. 90 Leute oder ein paar mehr. Während der Pandemie lag das Projekt auf Eis, zwischendurch stand die Arbeit mit Krauss an, danach nahmen Saving Grace weitere Songs auf. Na, und jetzt gibt es eben »Saving Grace«, das Album.
Es ist gereift wie guter Wein. 20 Jahre Plant-Kollaborationen stecken hörbar in den Stücken, das Polyrhythmische der frühen 2000er als The Strange Sensation, der tranceartige Groove der späten 2010er mit den The Sensational Space Shifters, die Coverversionen von Low über Charlie Feathers bis zum Uraltfolk mit der Band of Joy. »Saving Grace« beginnt mit Blues, »Chevrolet«, und endet beim Gospel, »Gospel Plough«; dazwischen hört man Folk und mit »Everybody’s Song« die Coverversion eines ikonischen Low-Songs (»Everybody’s Song«, 2005).
Ich habe das Gefühl, die Unaufgeregtheit der intimen Sessions rauszuhören. Könner sind hier allemal am Start: Oli Jefferson ist ein versierter Drummer mit Spaß an Polyrhythmen, Tony Kelsey ein hervorragender Gitarrist. Die Eiscreme auf dem Crumble ist der Duettgesang Plants mit Suzi Dian, Jeffersons Ehefrau. Himmlische Harmonien, mal führt der eine, mal die andere. Im ruhigeren Mittelteil des Albums singen sie das Traditional »I Never Will Marry«. Die Band hält sich raus, allein Barney Morse-Browns Cello belauert den Wohlklang mit schwarzen Drone-Sounds. Zum Dahinschmelzen.
Dass hier Led Zeppelin kaum erwähnt werden, könnte ihrem Sänger gefallen. Anlässlich seiner ersten Solotour 1982 schrieb Robert Plant: »Nicht die Erfolge von gestern, sondern die Aufgaben von heute und das Ziel von morgen geben uns einen Grund dafür, zu leben, anstatt nur gelebt zu haben.«
Robert Plant: »Saving Grace« – with Suzi Dian (Nonesuch/Warner)
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