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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 10 / Feuilleton
Landlust

Witze

Aus der Provinz
Von Jürgen Roth
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Stadt der BHs: Berlin

Ich hatte eine Arbeitsnachtschicht hinter mir und höchstens zwei Stunden geschlafen. Ich verfügte mich auf zwei, drei Penn- oder Pennerbiere ins Seven Bistro und begrüßte den Gerhard, der mir postwendend eine seiner gefürchteten Rätselaufgaben stellte: »Jürgen, Berlin schreibt man vorne mit ›B‹ und hinten mit ›h‹. Warum?«

»Weil Berlin die Stadt des BHs ist?«

»Naa. ›Berlin‹ schreibt man vorne mit ›B‹ und ›hinten‹ mit ›h‹.«

Besser lässt sich die kategoriale Differenz zwischen gesprochener und Schriftsprache kaum demonstrieren. Gerhard hatte durch die Nichtbetonung der vier weiteren An- und Abführungszeichen, durch die unterschlagene grammatikalische Markierung, einen implizit metasprachlichen Satz formuliert, und der Mann ist keineswegs Germanist.

Da sieht man, dass die Sprache ein Problem ist, »weil des a Problem is’, dass des a Problem is’, was a Problem is’«, wie der Lerd Thomas und mir kürzlich darlegte.

Es tauchte ein rumänischer Proll auf, ein Kumpel von Adrian. Du erkennst Typen, die ihr mangelndes Selbstbewusstsein hinter einem grobschlächtigen Habitus verbergen, zuverlässig daran, dass sie allezeit breitbeinig auf den Außenristen ihrer möglichst teuren, plump designten Turnschuhe stehen. Schönheit und Eleganz in Gewandung und Auftreten sind ein Indikator für moralische Festigkeit. Richard Sennett schätzt das genauso ein.

Der rumänische Proll trümmerte auf die Tasten eines der Spielautomaten ein, die pro Stück fünfzehntausend Euro kosten, das steckte mir Forti jüngst.

Gerhard hing ein wenig schief am Tresen, schaute mich an, rollte mit den Augen und meinte: »Da kannst net viel sagen.« Ich: »Nix.« Gerhard: »Des is’ net viel mehr als viel.«

Adrian registrierte, dass uns sein rumänischer Prollkumpel auf den Wecker ging, und nachdem der abgezogen war, spendierte uns Adrian einen abenteuerlichen selbstgebrannten Mischobstler aus seiner Heimat, den er aus einer Plastikflasche kredenzte. Das war wohl eine implizite Entschädigung, um sein nicht geringfügiges Schamgefühl zu tilgen.

Hartmut unterrichtete mich über seine Brennambitionen, denen er daheim im Keller frönt, zeigte mir Fotos von Apparaturen und dozierte über das Mischungsverhältnis von Alkohol und Wasser.

Schließlich konnte ich mich der Lektüre des neuen Drecksack widmen, der solitären Lesbaren Zeitschrift für Literatur von Florian Günther, die offenbar vor der Einstellung steht wie die Konkret, für die ich seit dreißig Jahren tätig bin.

Die Papierkultur zerbröselt, Papier findet beinahe nur noch für Papiere aus sinnlosen, verdorbenen Parteizentralen Verwendung. Die Impressionen und Vorfälle, die Florian in gedruckter Form transportieren lässt, sind zum Teil berlinerisch induzierte. Sie könnten gleichwohl meinem mittelfränkischen Nichts entsprungen sein, obschon sie im ländlichen Limbus nach wie vor des öfteren ein bisschen idyllisch legiert sind.

Allein, die Welt glänzt, cum grano salis, nirgendwo mehr, und gerade der Torheitsagglomeration Berlin scheint der Volkshumor zur Gänze ausgetrieben worden zu sein. Der Drecksack tönt dunkel – ein zarter Gesang in Moll.

Ich griff zur Bild, die André mitgebracht hatte. Auf der Seite zwei Trinkwitze. Erstens: »›Alkohol macht dumm und gleichgültig.‹ – ›Kapier’ ich nicht, ist mir aber auch egal.‹« Huääähh. Zweitens: »›Polizeikontrolle! Alkohol? Drogen?‹ – ›Verkaufen Sie auch Pommes?‹« Yeah! Drittens: »Ein Vampir kommt besoffen nach Hause. Seine Frau schimpft: ›Musst du immer Alkoholiker beißen?‹« Ich brech’ zusammen.

Auf einmal stand Agnieszka, unsere treue Haushaltshilfe, ein Herz von Mensch, neben mir. Sie hat einen Schlüssel und kommt ein paarmal im Monat vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.

»Jürgen, du brauchst Bier!« sagte sie. »Ich hab’ Kästen schon im Auto.«

Ich war perplex. Wir fuhren zum Besenbeck und ersetzten die leeren durch volle Gebinde.

Was haste da über die Einrichtung der Welt zu meckern?

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (7. November 2025 um 05:30 Uhr)
    Ziemlich oft sind sind die Nachrichten aus der Provinz gut lesbar und amüsant. Sie sind es nicht mehr, wenn die Sauferei zu offensichtlich die Regie über den Inhalt der Geschichten über nimmt. Also: Mehr Nüchterheit wagen!

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