Freiheiten der Liebe
Von Gisela Sonnenburg
Der Thüringer Barock ist lieblich, aber nicht überfrachtet. So verhält es sich auch mit der aufregenden Lyrik von Erasmus Schöfer. Der Kölner Schriftsteller (1931–2022), der den Lesern der jungen Welt gut bekannt ist und als Romancier und Chronist der 68er Generation berühmt wurde – vor allem mit seiner Tetralogie »Die Kinder des Sisyfos« – wird jetzt Gegenstand eines künstlerisch geprägten Events im Schlossmuseum Sondershausen in Thüringen. Mit der Bahn, so sie denn fährt, kommt man aus den meisten deutschen Städten an einem Tag hin und zurück.
»Lauter ewige Lieben« heißt die Veranstaltung, die eine Lesung von Schöfers 2020 erschienenen Liebesgedichten mit anmutiger Tanzdarbietung einerseits und mit einer vorangehenden, spannenden Führung durch »Geheime Räume des Barock« im Schloss andererseits vereint. Herz und Hirn sollen gleichermaßen erfreut werden.
Die barocke, authentisch bunte Ausgestaltung der nur selten öffentlich zugänglichen Säle in Sondershausen wird von der »Schlossherrin«, der Museumsleiterin Carolin Schäfer, während der Führung erläutert. Die Namensähnlichkeit von Schäfer und Schöfer ist Zufall. Oder haben antike Gottheiten die Finger im Spiel? Der Barock und Schöfer liebten das Spiel mit mythologischen Figuren der griechischen Antike. So verfasste Erasmus Schöfer für »Euridice«, die in der Unterwelt wandelnde Geliebte des Sängers Orpheus, eine Anbetung ihrer Schönheit: »Vom Rufen das du vernahmst / ist dir ein Glanz entfacht.«
Auch mit persönlicheren Reminiszenzen berührt seine Dichtkunst: »Voll Unruhe schau ich zum Horizont / seh sie noch nicht doch / der Himmel lässt mich schon spüren / dass sie aufgehen will«. So poetisch-erotisch sinniert Schöfer über die Freiheiten und Ängste der Liebe. Lust und Sehnsucht, Melancholie und Freude mischen sich. Die Loblieder der – freien – Liebe begeistern.
Schöfer war ein Berserker, was Tiefgang und doch Verständlichkeit seiner Dichtung anging. Der Rausch der schönen Sprache und die Klugheit der darin gefassten Gedanken verbinden sich. Der Stil seiner Gedichte ist ausgefeilt, dennoch überrascht jedes Werk mit originellen, kraftvollen Wortschöpfungen. Die Natur und die Phantasien, zu denen sie anregt, spielen eine besondere Rolle.
Grünäugige Fohlen, eine schwarze Löwin und kussfrohe Knospen gibt es da. Außerdem Mohnvogelschwärme. Aber auch Dornenbögen und Totenfäden. Eine schwarze Blumensonne neigt sich zum Betrachter. Fast unmittelbar folgt eine intime Erinnerung: »Manchmal schläfst du als Vogel an mir / Manchmal wachst du unsagbar«.
Timo Ben Schöfer, Sohn des Dichters, ist Schauspieler und aus »Sturm der Liebe« und »Tatort« bekannt. Er wird die Gedichte seines Vaters im antik inspirierten »Vestibül« des Schlossmuseums vortragen. Die Primaballerina Daria Suzi wird Soli tanzen, die nach Gedichten von Schöfer und zu Musiken des Konzertgeigers Jochen Brusch auf der Grundlage von Bach entstanden. (Ich durfte die Soli choreographieren.) Ihre Titel zitieren Schöfers Poeme: »Wann du willst«, »Der Wind hat dich im Arm«, »Was ich nicht weiß«. Sie spiegeln Stimmungen und Gefühle.
Die in Sankt Petersburg am Waganowa-Institut ausgebildete Ballerina Daria Suzi – im pinkrot schwingenden Kleid ein Augenschmaus – wurde in Deutschland mit dem Ballett Dortmund bekannt. Und nicht nur für die Tänzerin haben barocke Kunst, moderne Dichtung und zeitgenössisches Ballett einen klaren gemeinsamen Nenner: die Liebe zum menschlichen Körper.
»Lauter ewige Lieben«, Schlossmuseum Sonderhausen, 99706 Sonderhausen, 8.11., 14–16 Uhr
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