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24.10.2025, 19:36:45 / Ausland
Regierungskrise in Paris

Frankreich: Sozialisten drohen mit Misstrauensantrag

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Olivier Faure will mehr als nur eine Aufschiebung der Rentenreform erreichen (Paris, 24.10.2025)

Paris. Im Ringen um die Verabschiedung des Haushaltes für 2026 bis zum Jahresende hat Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu die Abgeordneten zu einem Kompromiss aufgerufen. »2026 darf kein verlorenes Jahr für Frankreich sein«, sagte Lecornu am Freitag nachmittag bei der Eröffnung der Debatte über den Haushalt in der Nationalversammlung. Die Regierung sei bereit, »sich an einer offenen und transparenten Debatte zu beteiligen« – auch durch eine Änderung »unserer Vorlage«, fügte er hinzu.

Die Sozialisten hatten zuvor mit einem Sturz seiner Regierung gedroht, falls der Haushaltsentwurf keine Steuer für Wohlhabende enthält. »Wir müssen die Superreichen und Megaerbschaften besteuern«, erklärte Sozialistenchef Olivier Faure am Freitag. »Wenn es bis Montag keine Fortschritte gibt, werden die Sozialisten dagegen stimmen und ein Misstrauensvorum beantragen«, fügte er im Onlinedienst X hinzu.

Lecornu sagte dazu, eine einzelne Partei könne die Entscheidungen des Parlaments nicht diktieren und forderte statt dessen »eine Kultur der anspruchsvollen Debatte zwischen Gesetzgebern, die zunächst unterschiedliche Überzeugungen haben«. In der Debatte solle es auch über »Steuergerechtigkeit« gehen, betonte er.

Der Premierminister hatte Anfang des Monats die lange umkämpfte und bereits verabschiedete Rentenreform zumindest ausgesetzt und damit erreicht, dass die Abgeordneten der Sozialisten bei einem Misstrauensantrag ihrer eigenen linken Volksfront gegen die Regierung nicht mitstimmten. Auch das Rechtsaußenlager wollte Lecornu stürzen, hatte aber ebenfalls nicht genügend Stimmen zusammengebracht.

Die Sozialisten fordern nun jedoch ebenso wie die anderen Parteien des linken Lagers, die vor allem wollen, dass Staatschef Emmanuel Macron endlich einen linken Premier beruft, eine höhere Besteuerung von Wohlhabenden. Die sogenannte Zucman-Steuer sieht vor, dass der Staat bis zu 20 Milliarden Euro einnehmen könnte, wenn er Vermögen ab 100 Millionen Euro mit mindestens zwei Prozent besteuern würde. Dies würde etwa 1.800 Haushalte treffen. Die Regierung lehnt diese Steuer ab, weil sie negative Auswirkungen auf den Standort Frankreich fürchtet.

Lecornu stellte Mitte Oktober seinen Haushaltsentwurf 2026 vor, mit dem das Haushaltsdefizit auf 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesenkt werden soll. Um dies zu erreichen, plant die Regierung Einsparungen in Höhe von 17 Milliarden Euro und zusätzliche Einnahmen von 14 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird eine Neuverschuldung von 5,4 Prozent erwartet. Der Defizitgrenzwert in der EU liegt eigentlich bei drei Prozent des BIP. Die Ratingagenturen Fitch und S und P hatten in den vergangenen Wochen die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der Finanzlage und der bestehenden politischen Instabilität herabgestuft. (AFP/jW)

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