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Aus: Ausgabe vom 24.10.2025, Seite 10 / Feuilleton
Comic

Ein Herzogtum für Honecker

Und noch einen Schnaps für Pittiplatsch: Neue Wahrheiten über die DDR in einem staatlich geförderten Sachcomic
Von Hagen Bonn
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So einfach ist das: Der Aufbau des Sozialismus

Eins vorweg, liebe Leserinnen und Leser: Wir müssen die Geschichte der DDR neu schreiben. Alles! Aber warum, werden da einige fragen, sich zurücklehnen und die Arme vor der Brust verschränken. Na, es gibt einen neuen Sachcomic zum Arbeiter-und-Bauern-Staat, die »Kleine illustrierte Geschichte der DDR«. Und die hat es in sich. Noch nie war ein Erklärbär so vollgepfropft mit Cartoons, Infografiken und alles erhellenden Textkästen. Da wird aus einem historischen Irrgarten wie durch Handauflegen eine methodisch exakt hergeleitete Wahrheit.

Beispiel gefällig? Mit nur zwei Sätzen, beides Wunderwerke historischer Folgerichtigkeit, blicken wir tief in die Augen der Vorsehung: »Als am Ende der 1980er Jahre sich die Machtstrukturen der Supermacht Sowjetunion, von der die Regierung der DDR abhängig geblieben war, auflösten, witterten die DDR-Bürger Morgenluft. Mit mutigen Aktionen brachten sie das autoritäre Regierungssystem in erstaunlich kurzer Zeit zu Fall, um sich mit dem reichen und demokratischen Westen Deutschlands wiederzuvereinigen.«

Ich gebe zu, ich musste mir die Tränen aus den Augen wischen, so gerührt war ich von dieser Prägnanz, der unbestechlichen Exaktheit und der fast schon lyrischen Genauigkeit. Grundlage des kleinteiligen und aufwendig inszenierten Bildheftes ist das Sachbuch »Kleine Geschichte der DDR« eines Herrn Mählert, einst Leiter des Arbeitsbereichs Wissenschaft der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Kaum hat man das Heft aufgeschlagen, bedankt man sich brav bei der genannten Bundesstiftung, die derlei gefördert hat.

Wenn die werten Leser jetzt glauben, das Heft würde wieder mit der Deklination von Stasi, Stacheldraht und Mauer langweilen, muss ich sie enttäuschen. Denn außer den drei Schlagwörtern kommen noch viele andere dazu! Altkommunisten, Diktatur, Angst, Übergriffe, Terror, Zwang, Internierung, Lager, Militarisierung der DDR-Gesellschaft. Letzter Punkt handelt ausführlich von den Auslandseinsätzen und Kriegsverbrechen der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR … Ups! Sorry, mein Fehler! Da habe ich glatt die NVA mit der Bundeswehr verwechselt. Ich bitte um Nachsicht. Liegt wohl daran, dass ich nicht ganz der Zielgruppe der Autoren entspreche, denn die wollen partout »eine junge Zielgruppe für politische und historische Inhalte« begeistern.

Und warum? Das ist schnell erklärt. Nach mir vorliegenden, streng geheimen Regierungspapieren muss regulatorisch ins Gehirn junger, unschuldiger, vor allem naiver Menschen eingegriffen werden. Gerade jetzt, da Desinformation, Lüge, Hetze, Hass und Drohnen unsere äh … Grundordnung bedrohen. Unvorstellbar, dass wieder jemand das Märchen vom DDR-Sozialstaat bemühen und es der bundesdeutschen Sanktionsmaschine entgegenhalten könnte. Das geht so nicht! Aber zum Glück steht die Wahrheit in unserem Stiftungsheft: »Um die sozialpolitischen Leistungen (die zweite Lohntüte) zu finanzieren, mussten Kredite im westlichen Ausland aufgenommen werden.« Ja, so war das. Und wenn wir schon bei der Verbreitung von Wahrheiten über die DDR sind, hier sind noch ein paar: Pittiplatsch war Alkoholiker. Der Trabant wurde auf einer geheimen Mondbasis hergestellt und die SED war inoffizielles Mitglied der britischen Königsfamilie.

Ulrich Mählert (Text) / Thomas Henseler (Illustrationen) / Susanne Buddenberg (Illustrationen): Kleine illustrierte Geschichte der DDR. Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin 2025, 160 Seiten, 19 Euro

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (24. Oktober 2025 um 09:58 Uhr)
    Kolonialherren erzählen eben gern von der barbarischen Zeit, bevor sie kamen, um den Eingeborenen ihre höherentwickelte Kultur zu bringen. Selbstverständlich ging es den Protagonisten der »Wende« in der DDR nicht darum, das eigene Land demokratischer zu machen und es zu reformieren. Nein, sie lechzten schlicht nach dem goldenen Westen und davon, von nun an eine Kolonie desselben zu sein! Wie könnte es anders sein?! Absurder Gedanke! Es sind die Sieger und Kolonialherren, die die Geschichte der von ihnen unterworfenen Länder schreiben. Heute wie vor 200 Jahren. Je primitiver und widerspruchsloser, desto besser.

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