Unter Druck
Von Nick Brauns
Die in den letzten Jahren von den Fußtruppen der damaligen Ampelregierung getragene Kampagne »Höcke ist ein Nazi« verhallte weitgehend ergebnislos. Wahlergebnisse legen nahe, dass diese Zuschreibung der Popularität des völkisch freidrehenden Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke und seiner Partei außerhalb linksliberaler Wohlfühlkieze eher genützt als geschadet hat.
Schwerwiegender für eine sich patriotisch verstehende deutschnationale Partei scheint da der Vorwurf des Vaterlandsverrats. Thüringens SPD-Innenminister Georg Maier verdächtigt die AfD der Spionagetätigkeit für Russland. Es dränge sich geradezu der Eindruck auf, dass die Partei eine Auftragsliste des Kremls abarbeite, verweist Maier auf deren parlamentarische Anfragen zu kritischer Infrastruktur, Polizei und Bundeswehr. Russland nutze seinen Einfluss in der AfD, um zu spionieren, und die AfD lasse sich für diesen Verrat dankbar vor Putins Karren spannen, pflichtet ihm der CDU-Abgeordnete Marc Henrichmann als Vorsitzender des Geheimdienste-Kontrollgremiums im Bundestag bei. Der grüne Vizevorsitzende des Gremiums, Konstantin von Notz, schlägt in eine ähnliche Kerbe.
Nun gehört das parlamentarische Fragerecht zu den wenigen Möglichkeiten der Opposition, der Regierung auf den Zahn zu fühlen. Für Spionage ist es schon deswegen ein eher ungeeignetes Mittel, da von Regierungsseite als »Staatswohlgefährdung« eingestufte Fragen häufig unbeantwortet bleiben. Auch muss nicht gleich der Kreml dahinter stecken, wenn sich eine Partei, die bekanntermaßen von einem starken Repressionsapparat gegen »Feinde im Inneren« träumt, nach dafür vorhandener Infrastruktur erkundigt.
Doch Thüringens Innenminister will den »landesverräterischen Aspekt« im Rahmen eines derzeit fraktionsübergreifend im Bundestag vorbereiteten neuen AfD-Verbotsverfahrens stärker berücksichtigt sehen. Die im Handelsblatt – dem Organ des deutschen Großkapitals – lancierte Kampagne gegen die AfD als angebliche Spionageagentur »autoritärer« Staaten dürfte indessen weniger auf ein Verbot der laut Umfragen stärksten Partei als auf deren Gefügigmachung zielen.
Denn längst gibt es innerhalb der Union Überlegungen für eine schwarz-blaue Koalition zur Durchpeitschung verschärften Sozialkahlschlags. Dem steht eine außenpolitische Unzuverlässigkeit der AfD entgegen, die zumindest im Osten noch verbal Rücksicht auf ihre keineswegs kriegstüchtige Basis nimmt. Hier wird der Druck auf die Partei zur Kurskorrektur weiter zunehmen, um an die Tröge der Macht gelassen werden.
Dass der Vorwurf des Landesverrats gegen die AfD jetzt von Parteien erhoben wird, die nach dem wohl von westliche Verbündeten begangenen Anschlag auf die Nord Stream-Pipelines in transatlantischer Nibelungentreue business as usual betrieben, könnte sich noch als Bumerang erweisen.
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