Treffen der »Paladine«
Von Philip Tassev
Es muss ein denkwürdiger Tag für die Delegation der spanischen Falangisten gewesen sein: Ihre Vorfahren waren einst angetreten, im Gefolge des Hitlerfaschismus Europa vor dem Kommunismus zu »bewahren«. 80 Jahre und eine Konterrevolution später werden sie von russischen Oligarchen nach St. Petersburg eingeladen. Im Marienpalast – während der Leningrader Hungerblockade 1941-1944 mehrfach von deutschen Bomben getroffen und seit 1994 Sitz des Petersburger Regionalparlaments – hat am 12. September das Gründungstreffen der »International Sovereign League – Paladine« stattgefunden. Mit dabei: Monarchisten, Faschisten und Neonazis von drei Kontinenten.
Die rechte ungarische Zeitung Szent Korona veröffentlichte vergangene Woche einen umfangreichen Bericht mit zahlreichen Fotos zur Russland-Reise der Delegation der ungarischen faschistischen Gruppe HVIM (Jugendbewegung Vierundsechzig Komitate). Der Tag begann demnach mit einer Prozession durch die Straßen von St. Petersburg, angeführt vom Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill. Auf den Fotos sind Hunderte vor allem junge Menschen zu sehen, zum Teil uniformähnlich gekleidet und ausgestattet mit Ikonen, Jesusflaggen und goldfarbenen Doppeladlerbannern.
Nach dieser öffentlichen Zurschaustellung religiöser und zaristischer Symbolik begann das Event mit einer Eröffnungsrede des monarchistischen Oligarchen Konstantin Malofejew. Der ist Besitzer des nationalistischen Senders Zargrad TV und ein bekennender christlich-orthodoxer Fundamentalist. Nach ihm wandte sich der reaktionäre Philosoph und »Geostratege des Kreml«, Alexander Dugin, an die Konferenzteilnehmer. Der Sprecher des Petersburger Regionalparlaments, Alexander Belsky, war zwar nicht anwesend, ließ aber ein Statement verlesen, von dem er sich jedoch später wieder distanzierte, da er angeblich nicht gewusst habe, wer sich da in seinem Hause versammelt hatte. Teilgenommen hatte aber ein anderes Mitglied der Putin-Partei Einiges Russland, der Petersburger Abgeordnete Konstantin Tschebykin.
Nach einer Schweigeminute für den erschossenen Trump-Propagandisten Charlie Kirk startete die Veranstaltung. Auf der Tagesordnung: Verteidigung des Christentums und der »traditionellen Werte«, Migration und der Kampf gegen die »satanische LGBTQ-Propaganda« und »gegen das globale Kanaan und Sodom«, Koordination und gegenseitige Unterstützung.
Zu den rund 20 Organisationen, die mit Delegationen vertreten waren, zählten neben der ungarischen HVIM die eingangs erwähnte Falange Española de las JONS, deren Mitglieder offen den Hitlergruß verwenden und die spanische Blaue Division, die mit der Wehrmacht Leningrad belagerte, verehren. Ebenfalls aus Spanien angereist waren Mitglieder der Partei Democracia Nacional, gegründet 1995 von Anhängern des belgischen Nazikollaborateurs Léon Degrelle. Aus Frankreich war eine Abordnung der 2015 reaktivierten neonazistischen Partei Les Nationalistes gekommen, ursprünglich 1983 von französischen Veteranen der Waffen-SS aufgebaut.
Auch aus Mexiko, Italien, Serbien, Griechenland, Belgien, Großbritannien, Südafrika, Brasilien und Argentinien waren Gruppierungen vertreten. Wie Fotoanalysen des liberalen Propagandasenders Radio Free Europe/Radio Liberty zeigen, nahmen aus der BRD der Hamburger AfD-Politiker Robert Risch und die ehemalige AfD-Politikerin Olga Petersen, die seit 2024 in Russland lebt, teil. Für Videobotschaften zugeschaltet waren unter anderem der neurechte Philosoph Alain de Benoist und Alexander von Bismarck, ein Nachfahre des Reichskanzlers.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (30. September 2025 um 21:53 Uhr)Traurig, dass St. Petersburg und Russland sowas zulassen. Sie versinken weiter in der politischen und kulturellen Dekadenz.
Ähnliche:
Liesa Johannssen/REUTERS09.07.2025Offen auf Kriegskurs
Susana Vera/REUTERS29.01.2022Stelldichein der europäischen Rechten
Mikhail Filimonov / Sputnik08.05.2020Codewort »Alba Regia«
Mehr aus: Antifaschismus
-
Für Frieden und Fortschritt
vom 01.10.2025