»Das Geld fehlt für soziale Projekte und Schulen«
Interview: Kristian Stemmler
Vor zwei Jahren wurde der Bau des »Elbtowers« wegen der Pleite des Investors René Benko gestoppt. Jetzt hat Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher von der SPD angekündigt, dass der Senat die Hälfte des Turms kaufen will. Was kritisieren Sie daran?
SPD, Grüne und Tschentscher haben immer wieder versprochen, dass kein Cent öffentliches Geld in den »Elbtower« fließen wird. Jetzt wollen sie 595 Millionen Euro in das Hochhaus stecken. Neben dem Wortbruch kritisieren wir, dass der Senat sich wieder in die Abhängigkeit von privaten Investoren begibt und damit zusammenhängende Risiken wie Kostensteigerungen und mangelnde Instandhaltung der restlichen Liegenschaft eingeht. Außerdem wird hier leichtfertig wieder viel öffentliches Geld rausgehauen, während SPD und Grüne erklären, dass für soziale Projekte kein Geld da sei.
Momentan ist der »Elbtower« eine Investitionsruine. Von der geplanten Höhe von über 240 Metern sind nur etwa 100 erreicht. Geht es Tschentscher nicht vor allem darum, ein von seinem Vorgänger, Olaf Scholz, initiiertes Prestigeprojekt zu retten?
Ja, der »Kurze Olaf« ist vor allem der SPD ein Dorn im Auge. Der Senat will die Bauruine, für die er verantwortlich ist, endlich aus der Welt schaffen. Bestimmt auch mit Blick auf die Olympiabewerbung und das Bürgerschaftsreferendum dazu im nächsten Jahr. SPD und Grüne haben wohl die Sorge, dass die Hamburgerinnen und Hamburger ihnen kein Großprojekt wie die Olympischen Spiele zutrauen, wenn sie nicht einmal den »Elbtower« fertigbekommen. Ich hoffe, dass die Hamburgerinnen und Hamburger von dieser Entscheidung vor allem mitnehmen, wie wenig glaubwürdig der Senat ist und wie groß die Gefahr, dass die Stadt am Ende draufzahlt.
Inwiefern profitiert der neue Investor, Dieter Becken, vom Einstieg des Senats?
Ohne die Stadt könnte das Investorenkonsortium um ihn den »Elbtower« gar nicht weiterbauen, weil es keinen Bedarf an den Flächen gibt. Mit der Zusage des Senats, 47 Prozent des »Elbtowers« zu kaufen, bekommen die Investoren erst die Kredite zum Weiterbau, und es werden ihre Risiken minimiert.
Tschentscher erklärte, das Naturkundemuseum an anderer Stelle zu errichten wäre erheblich teurer geworden. Was sagen Sie dazu?
Ich bin gespannt auf die Nachweise dazu. Ich denke, dass ein Neubau an anderer Stelle nicht nur günstiger wäre, sondern auch mit weniger Risiken verbunden ist und funktional mehr Sinn ergibt. Ein Naturkundemuseum plant man um die zum Teil großen Exponate, Sammlungen und Labore herum und quetscht sie nicht in ein gescheitertes Spekulationsobjekt.
Die 595 Millionen Euro, die er für die Hälfte des »Elbtowers« zahlen muss, will der Senat zum Teil aus dem »Sondervermögen« des Bundes für Infrastruktur finanzieren.
Der Senat will damit wohl mehr Akzeptanz für die Entscheidung schaffen, sich nun doch finanziell an der Fertigstellung des »Elbtowers« zu beteiligen. Uns ist es egal, ob die 595 Millionen Euro allein aus dem Hamburger Haushalt kommen oder anteilig aus dem Sondervermögen des Bundes. Das Geld fehlt dann an anderen Stellen, etwa für soziale Projekte und Sanierungen von Schulen.
Ihre Fraktion hat das Projekt »Elbtower« von Anfang an kritisiert und immer vor dem Risiko des Scheiterns gewarnt. Sehen Sie sich durch die Entwicklung bestätigt?
Neben uns haben viele weitere Personen vor dem windigen Investor René Benko und den Risiken bei so einem Bauvorhaben gewarnt. Leider scheint der Senat daraus nichts gelernt zu haben und will diese Fehler bei Projekten wie der Kühne-Oper und Olympia wieder begehen. Aber die Hamburgerinnen und Hamburger werden es bestimmt besser wissen und SPD und Grünen zumindest bei der Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele wieder einen Strich durch die Rechnung machen.
Marco Hosemann ist stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft
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