Krise erreicht Stadtsäckel
Von Gudrun Giese
Städte mit großen Produktionsstätten für Fahrzeuge konnten bis vor kurzem aus dem Vollen schöpfen. Hohe Gewerbesteuereinnahmen füllten stetig die Kassen der Kämmerer. Damit ist angesichts der Krise der deutschen Automobilunternehmen vorerst Schluss. Unterdessen hat die IG Metall Bayern am Donnerstag einen Forderungskatalog vorgestellt, um diesen Industriezweig zu retten.
Im vergangenen Jahr nahmen durch die Autoindustrie geprägte Städte wie München, Stuttgart, Wolfsburg und Ingolstadt noch erhebliche Summen aus der Gewerbesteuer ein, heißt es im neuesten »Kommunalen Finanzreport« der Bertelsmann-Stiftung. Setze sich die Krise bei BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Porsche fort, könne sich das schnell ändern, sagte René Geißler von der Technischen Hochschule Wildau und Mitautor der Studie laut dpa. »Die Automobilindustrie sendet momentan ja eigentlich nur schlechte Nachrichten«, resümierte Geißler. Alle Kommunen mit entsprechenden Betrieben spürten die Folgen der Krise wegen der einbrechenden Steuereinnahmen.
Die IG Metall Bayern möchte mit Vorschlägen an die Politik den Absturz bei den bayerischen Automobilunternehmen BMW und Audi gestoppt sehen. Am Donnerstag präsentierten der bayerische IG-Metall-Bezirksleiter Horst Ott sowie die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von BMW, Martin Kimmich, und Audi, Jörg Schlagbauer, ihre Forderungen an die Politik zur Rettung der Automobilindustrie. Beschäftigung in der Branche könne langfristig nur gesichert werden, wenn die Elektromobilität hochgefahren werde, so Ott. Die Befreiung der E-Autos von der Kfz-Steuer sowie das Förderprogramm für den Kauf von E-Autos für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen seien wichtige Beschlüsse der Bundesregierung, befand er. Dabei dürfe es nicht bleiben. Nun müssten Schritte hin zu günstigerem Ladestrom und Förderprogramme zur Steigerung der Batteriewertschöpfung folgen. Doch der IG-Metall-Bezirkschef macht sich auch für die Lockerung des ab 2035 geplanten Endes bei der Verbrennertechnologie stark, da »der Hochlauf der E-Mobilität dennoch deutlich langsamer vorangeht als erhofft«. Die EU sollte die Regulierungen für Hybridfahrzeuge und »klimaneutrale« Kraftstoffe flexibilisieren. Anderenfalls drohe ein Arbeitsplatzverlust in kaum vorstellbarer Größenordnung. Als Gegenleistung für die Lockerung vom Verbrenneraus erwartet Ott von den Automobilkonzernen »Standorttreue und Beschäftigungssicherung«.
Um die Wertschöpfungsketten in der Region zu schützen, möchte der IG-Metall-Mann obendrein »Local-Content-Regeln« auf EU-Ebene. Mit denen würden die hiesigen Arbeitsplätze »vor der massiv subventionierten Konkurrenz aus China« abgeschirmt. »Wer bei uns Autos verkaufen will, muss sie entweder hier produzieren oder unsere Zulieferteile kaufen.« Die bayerische Landesregierung solle die Bundesregierung in dieser Hinsicht zu »aktivem Handeln in Brüssel bewegen«. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von BMW und Audi schlossen sich den Forderungen an und unterstrichen, dass der Klimaschutz nicht aufgegeben werden solle, »sondern die Anforderungen intelligenter und smarter zu lösen« seien, so Martin Kimmich, etwa durch die stärkere Beimischung »klimaneutraler« Kraftstoffe ab sofort und den Einsatz von »grünem« Stahl. Jörg Schlagbauer sieht die E-Mobilität weiter als Leittechnologie der Zukunft, doch müssten die potentiellen Kunden noch stärker davon überzeugt werden.
Unterdessen ächzen einst wohlhabende Städte wie Stuttgart unter dem drastischen Rückgang der Gewerbesteuer, da nicht nur bei Autoherstellern wie Mercedes-Benz und Porsche, sondern auch bei Zulieferern wie Bosch und Mahle inzwischen deutlich weniger zu holen ist. Im Doppelhaushalt 2026/27 fehlten so knapp 800 Millionen Euro. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) nannte den Haushalt laut dpa »eine kontrollierte, allerdings für alle stark spürbare Bremsung«. 2023 verbuchte Stuttgart 1,6 Milliarden Euro aus Gewerbesteuern, 2025 nur noch 850 Millionen Euro. Ähnlich sieht es in Wolfsburg und Zwickau (VW), München (BMW) und Ingolstadt (Audi) aus.
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