Gegründet 1947 Mittwoch, 15. Oktober 2025, Nr. 239
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 15.10.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Kommunalwahl in Portugal

Reicht für Rathäuser

Portugal: Extrem rechte Chega-Partei schneidet bei Kommunalwahlen schlechter ab als in Prognosen, stellt aber erstmals Bürgermeister in drei kleineren Orten
Von Carmela Negrete
15.jpg
André Ventura spricht zu seinen Anhängern auf der Praça do Marquês de Pombal in Porto (23.11.2024)

Seine Partei habe »heute ebenfalls gesiegt« und erstmals in ihrer Geschichte »eigene Rathäuser übernommen«, erklärte der Präsident der rechten Chega-Partei, André Ventura, am Montag in Lissabon vor der portugiesischen Hauptstadtpresse. Er sehe die Ergebnisse als »Erfolg«, da die Chega (portug.: »Es reicht!«) bei den Kommunalwahlen rund 12 Prozent der Stimmen erhielt – obwohl bei den Parlamentswahlen im Mai noch 23 Prozent für die Formation gestimmt hatten. Das habe jedoch »mit den Entscheidungen der Menschen in jeder Gemeinde« zu tun, so der portugiesische Rechtsaußenpolitiker, »mit dem politischen Kontext und der jeweiligen Dynamik«. Es sei also eine lokale Angelegenheit.

Doch dass Chega nun lediglich drei Rathäuser von insgesamt 308 im Land kontrollieren wird, ist zweifellos eine Niederlage. Denn Ventura, der Juraprofessor aus Lissabon, hatte sich ursprünglich das Ziel gesetzt, nach diesen Wahlen mindestens 30 lokale Regierungen zu stellen. Chega wird künftig im Dorf São Vicente auf der Insel Madeira mit knapp 2.800 Einwohnern regieren und in der Stadt Entroncamento in der Region Santarém, die rund 20.000 Einwohner zählt, sowie in Albufeira nahe Faro. Insgesamt konnte die Partei ihre Ergebnisse im Vergleich zu 2010 mehr als vervierfachen: Von vier Prozent wuchs ihr Stimmenanteil auf lokaler Ebene auf 18 Prozent. Die beiden Parteien mit den besten Ergebnissen waren die Rechtskonservativen und die Sozialdemokraten, mit 136 bzw. 128 Bürgermeisterposten.

Die Linke, Bloco de Esquerda und Kommunistische Partei PCP, befindet sich indes weiter im freien Fall. Der PCP trat in der Wahlkoalition CDU (Demokratische Einheitskoalition) an und verlor mit lediglich drei Prozent der Stimmen sieben Rathäuser. PCP-Chef Paulo Raimundo sprach von »einer stärkeren Zersplitterung der politischen Kräfte, von denen einige keinerlei Erfahrung oder Verbindung mit kommunaler Arbeit haben, jedoch von breiter medialer Förderung profitierten«. Die Medien hätten »reaktionäre Kräfte und Vorstellungen aufgewertet, die dazu beitrugen, die Aufmerksamkeit von dem abzulenken, worum es bei diesen Wahlen eigentlich ging«. Raimundo rief zudem für den 8. November zu einer Demonstration gegen die geplante Arbeitsrechtsreform der Regierung auf. Der »Bloco de Esquerda« kam ebenfalls nur auf zwei Prozent der Stimmen und errang lediglich einen Stadtratssitz in Lissabon.

Die 2019 gegründete Chega war nach den Wahlen im vergangenen Frühjahr zur zweitstärksten Kraft im portugiesischen Parlament geworden. Die 60 Abgeordneten von Venturas reaktionärer Formation kamen an die Macht, nachdem der bisherige Ministerpräsident António Costa infolge einer gerichtlichen Entscheidung zurückgetreten war – obwohl sich später herausstellte, dass er entgegen der Vorwürfe nicht in Korruption verwickelt war. Damit war jedoch der Weg frei für die rechtskonservative Aliança Democrática (Demokratische Allianz, AD) unter dem heutigen Ministerpräsidenten Luís Montenegro, die im Mai 91 Sitze im Parlament errang.

Zuletzt hatten AD und Chega versucht, eine Reform des Migrationsrechts durchzusetzen, um den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu erschweren und die Familienzusammenführung zu verunmöglichen. Bisher musste man fünf Jahre im Land leben, um die Staatsbürgerschaft erhalten zu können. Künftig sollten es zehn sein. Neugeborene sollten nicht mehr automatisch den portugiesischen Pass bekommen und eine Prüfung zu Sprache und Kultur war vorgesehen. Doch das Verfassungsgericht kippte diese Reform Anfang August. Eine zuvor groß angekündigte Welle von Abschiebungen fand nicht statt.

Die Themen Migration und »Sicherheit« in den Umfragen zu den wichtigsten gemacht zu haben, kann die Chega für sich als Erfolg verbuchen. So konnte sie von der Korruption oder der Tatsache, dass die letzten Ministerpräsidenten immer wieder durch juristische Verfahren (»Lawfare«) gestürzt wurden, ablenken. Das gilt ebenso für den Umstand, dass Portugal zu einer Art Steuerparadies geworden ist, insbesondere im Bereich der Kryptowährungen. Die Großstädte erleben derweil einen Tourismusboom, durch den die Mieten für Normalverdiener innerhalb eines Jahrzehnts unerschwinglich geworden sind. Doch die Regierung macht bei dem Schüren von Ressentiments gegen Migrantinnen mit – Menschen, die oft ohne Sozialversicherung schwere Arbeit in Landwirtschaft und Pflege verrichten. Im Juli hatte Ministerpräsident Montenegro rund 40.000 Migrantinnen einen Brief schicken lassen, in dem er sie aufforderte, das Land zu verlassen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Jürgen Z. aus Lisboa, Portugal. (15. Oktober 2025 um 00:01 Uhr)
    Die Kommunalwahlen in Portugal sind für fortschrittliche und linke Kräfte fürwahr nicht positiv verlaufen. (…) Die Rechtsextremisten von Chega haben rund 12, nicht 18% erreicht, die CDU mit den Kommunisten (PCP) hat deutlich verloren, aber nicht 3, sondern knapp 6% erreicht. Sie und der Linksblock (Bloco de Esquerda) sind keineswegs gleichermaßen im freien Fall, die CDU hat immerhin knapp 100 Gewählte auf der exekutiven Munizipalebene und über 1000 in den untergeordneten Exekutivorganen in den Gemeinden, beim Bloco sind das entsprechend 1 bzw. 2 (dazu ein paar wenige im einstelligen Bereich im Bündnis mit den Sozialisten). Die CDU hat elf »concelhos« (übergeordnete Kommunen) verloren, darunter die Bezirkshauptstädte Évora und Setúbal, und vier neu dazu gewonnen, wie die Hafenstadt Sines (macht effektiv sieben Verlust), und behauptet sich im Großraum Lissabon-Setúbal in Seixal (knapp 160.000 Einwohner), Palmela (annähernd 70.000 Einwohner) und Sesimbra (knapp 60.000 Einwohner) , dazu weit über 100 »freguesias« (untergeordnete Kommunen wie Stadtbezirke und Dörfer),der Linksblock verfügt in keiner einzigen Kommune über den Vorsitz. Schlimm genug das alles, aber bitte ein bisschen mehr Genauigkeit bei der Darstellung. Ich selbst war zum wiederholten Mal Kandidat der CDU bei diesen Wahlen und rede nicht einfach so daher. Lonha Heilmair, Lisboa.

Ähnliche:

  • Kommunalwahlen NRW: Wahllokal in Duisburg-Neumühl (14.9.2025)
    16.09.2025

    AfD reüssiert im Westen

    NRW-Kommunalwahl. Rechte Partei mit starken Zugewinnen und drei Kandidaten in Oberbürgermeister-Stichwahlen. CDU-Ministerpräsident bestreitet »Westwanderung«
  • Portugal retten. André Ventura inszenierte sich im Wahlkampf erf...
    24.06.2025

    Der iberische Messias

    Rassistische Hetze und ein bisschen von allem. Die Chega-Partei in Portugal verdankt ihren Erfolg ganz ihrem Anführer André Ventura
  • Es bleibt knapp zwischen Sozialdemokraten und ultrarechter Chega...
    20.05.2025

    Portugals Rechte zieht vorbei

    Regierungsbündnis bei Parlamentswahl mit Zugewinn, Sozialdemokraten bangen gegen ultrarechte Chega um zweiten Platz

Regio:

Mehr aus: Antifaschismus