»Grüner« Energiemix
Von Wolfgang Pomrehn
Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger schreitet voran. In den ersten sechs Monaten 2025 konnte die Zunahme des Strombedarfs vollständig durch den Zubau neuer Solar- und Windkraftanlagen abgedeckt werden. Darüber hinaus konnte sogar ein Teil der konventionellen Erzeugung ersetzt werden. Die Erzeugnisse von Kohlekraftwerken fielen im gleichen Zeitraum um 0,6 Prozent, heißt es in einem soeben erschienenen Halbjahresbericht von Ember, einem britischen, auf den Umbau der Energieversorgung spezialisierten Thinktank. In China und Indien, auf die hierzulande gerne mit dem Finger gezeigt wird, gingen die Erzeugnisse aus fossilen Kraftwerken zurück, während sie in Europa und in den USA zunahmen. »Wir sehen erste Anzeichen, dass ein kritischer Wendepunkt erreicht wurde«, meint Małgorzata Wiatros-Motyka, die für Ember die Strommärkte analysiert. »Da die Kosten der neuen Technologien weiter fallen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die ökonomischen, sozialen und gesundheitlichen Vorteile auszunutzen, die diese mit sich bringen.«
Vor allem die Solarstromproduktion hat mit einem Plus von 31 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 zugenommen. Gut die Hälfte des Zuwachses erfolgte in China, 14 Prozent in den USA, zwölf Prozent in der EU, 5,6 Prozent in Indien und 3,2 Prozent in Brasilien. China führt auch beim Rückgang der CO2-Emissionen des Energiesektors, wo diese um 46 Millionen Tonnen abnahmen, während sie in den USA um 33 Millionen Tonnen zunahmen. US-Präsident Donald Trump versucht zwar inzwischen, den Ausbau von Solar- und Windenergie nach Kräften zu behindern. Eine jüngste Analyse des norwegischen Beratungsinstituts DNV kommt allerdings zu dem Schluss, dass dies den globalen Fortschritt von Solar- und Windenergie nur marginal verlangsamt. Grund sei vor allem das gewaltige Wachstum der Branche in China samt Exportzunahme entsprechender Technologie.
Doch nicht alles, was »grün« ist, glänzt auch. In Griechenland, das durch seine vielen Inseln eigentlich für kleine, dezentrale Anlagen die besten Voraussetzungen hat, dominieren kapitalintensive Großprojekte ausländischer Investoren, erläuterte gegenüber jW Aristotle Tympas, der in Athen an der Nationalen und Kapodistrias-Universität über die Geschichte neuerer Technologien forscht und lehrt. Bei heutigen Preisen könnten sich die unzähligen Inseln gut mit Solar- und kleineren Windkraftanlagen in Kombination mit Speicherlösungen selbst versorgen und auf ihre teuren und klimaschädlichen Dieselgeneratoren verzichten. Statt dessen werden sie mit völlig überdimensionierten Großanlagen überzogen, die die Landschaft zerstören, auf Kosten der Steuerzahler unnötig mit teuren Unterseekabeln ans Festland angeschlossen werden müssen und für die lokale Ökonomie keinerlei Nutzen bringen. Entsprechend habe diese Politik in Griechenland inzwischen »erneuerbare Energien« zum Unwort gemacht, das vielerorts Betroffene in Rage versetze.
Derweil liegt auch hierzulande einiges im Argen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) machte am Mittwoch darauf aufmerksam, dass bei der deutschen Biogasproduktion jährlich bis zu 370.000 Tonnen Methan entweichen. Das entspricht, wenn die Klimaschädlichkeit über 20 Jahre gemittelt wird, 31,8 Millionen Tonnen CO2. Methan wird in der Atmosphäre zwar schneller abgebaut, ist aber im Vergleich zu CO2 ein erheblich effektiveres Klimagas, wenn man ein einzelnes Methan- mit einem CO2-Molekül vergleicht. Die DUH kommt zu ihrer Aussage in einer Kombination aus Messungen und Hochrechnungen. In Deutschland wird das Biogas aus mehr als 10.000 Anlagen meist in kleinen Kraftwerken verbrannt, liefert jährlich rund 30 Milliarden Kilowattstunden Strom und Wärme und gilt als erneuerbarer Energieträger. Sein Anteil an der Stromversorgung liegt bei zirka drei Prozent. Die Umweltschützer fordern nun, dass bestehende Standards zur Eindämmung der Emissionen konsequent umgesetzt und dass der gesetzlich tolerierte Methanverlust der Anlagen auf maximal ein Prozent festgelegt wird.
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