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Aus: Ausgabe vom 09.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Teuerung und Preispolitik

Halbleerer Einkaufskorb

Österreich: Debatte um Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln erneut entbrannt. Institute und Handel uneins
Von Oliver Rast
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Konsumentenarmut in Salzburg: Zuviel Stauraum im Wagen für zuwenig in der Geldbörse

Es ist längst eine finanzielle Belastungsprobe, allemal für arme Privathaushalte in Österreich: der Einkauf im Supermarkt. Denn weiterhin reißen hohe Preise für Brot, Milch und Gemüse, für Grundnahrungsmittel allgemein, große Löcher ins Salär von Geringverdienern. Ideen für Gegenmaßnahmen gibt es. Etwa die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel – für viele Verbraucher mit schmalem Geldbeutel ein Lichtblick.

Der SPÖ-Vorsitzende und Vizekanzler der »Zuckerl«-Koalition (ÖVP, SPÖ, Neos), Andreas Babler, sprach sich gegenüber der Boulevardzeitung Krone am Dienstag dafür aus, den ermäßigten Steuersatz von zehn Prozent, der unter anderem für Lebensmittel gilt, zu senken – möglicherweise zu halbieren. Skepsis kommt indes aus der eigenen Partei. Markus Marterbauer zufolge dürfen Maßnahmen gegen die Teuerung das Budget nicht weiter belasten, wurde der sozialdemokratische Finanzminister gleichentags vom Pressedienst der SPÖ-Bundesorganisation zitiert.

Bemerkenswert: Babler unterstützt damit einen erneuten Vorschlag Gabriel Felbermayrs. Der Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) hatte am Sonntag in der ORF-Sendung »Pressestunde« eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel befürwortet. Das wäre angesichts der Teuerung eine spürbare Erleichterung. Aber auch hier: Widerspruch aus der eigenen Branche. Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, lehnt die Steuersenkung ab – sie sei »nicht treffsicher«. Statt dessen fordert er – altbekannt – »mehr Wettbewerb im Lebensmittelhandel«.

Und wie positionieren sich die Big Player im LEH, im Lebensmitteleinzelhandel? Gleichfalls uneinheitlich, berichtete am Mittwoch das Handelsfachmagazin Cash online. Demnach zeigt sich Rewe international offen für eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Man sehe darin eine Möglichkeit, Preissprünge abzufedern, betont aber, dass die Entscheidung bei politisch Verantwortlichen liege. Auch Hofer (Aldi-Süd-Gruppe) unterstützt die Idee grundsätzlich – und fordert zugleich, »dass die Umsetzung transparent und kontrollierbar sein muss, damit die Entlastung wirklich bei den Konsumenten ankommt«. Spar Österreich hingegen ist skeptisch. Das Unternehmen bezweifelt, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer tatsächlich zu niedrigeren Preisen für Verbraucher führt. Die Preisbildung sei komplex; kurzum, überzogene Erwartungen verfehlt. Und der Handelsverband Österreich setzt »auf gezielte Maßnahmen für einkommensschwache Haushalte«. Unter dem Strich: laue Aussagen, vage Angaben.

Pointierter argumentierten unlängst die Verbraucherschützer vom Verein für Konsumenteninformation (VKI): »Die Teuerung trifft vor allem Alleinerziehende, Mindestpensionistinnen und Mindestpensionisten sowie Menschen mit prekären Jobs.« Eine Mehrwertsteuersenkung wäre ein erster Schritt – dürfe aber nicht der letzte sein. Ferner äußerten sich Vertreter der Sozialverbände Caritas und Volkshilfe. Die Nachfrage nach Lebensmittelausgaben und Sozialmärkten sei auf einem Rekordniveau. »Wir erleben täglich, wie Menschen sich zwischen Heizen und Essen entscheiden müssen. Das ist ein sozialpolitischer Notstand«, sagte etwa kürzlich Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger.

Deutlicher noch wurde Reinhold Binder am Dienstag, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Pro-Ge: »Gehen die Preise nicht zurück, dann braucht es Eingriffe durch eine Preiskommission«, forderte der Beschäftigtenvertreter. Und: Sämtlichen »Rabatt- und Verpackungsschmähs« müsse ein Ende gemacht werden, also versteckten oder offenen Preisaufschlägen. »Es ist nicht mehr länger zu akzeptieren, dass der wöchentliche Einkauf mittlerweile vielen Menschen den Angstschweiß ins Gesicht treibt«, so Binder weiter.

Klar ist: Die Debatte um die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ist mehr als ein fiskalisches Rechenexempel. Denn für zahlreiche Verbraucher Österreichs ist der Griff ins Supermarktregal längst zu teuer geworden. Folge: Der Einkaufskorb bleibt halb leer.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin Mandl aus Hartberg (8. Oktober 2025 um 22:55 Uhr)
    Eine falsche Debatte. Wieso sollen Lebensmittel, besonders die am meisten verwendeten (Grundnahrungsmittel), überhaupt besteuert werden?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich Hopfmüller aus Stadum (8. Oktober 2025 um 21:49 Uhr)
    »Die Preisbildung sei komplex; kurzum, überzogene Erwartungen verfehlt.« Wie schwierig die Sache ist, sieht man an der Mutti-Kanzlerin, die hat(te?) auch Schwierigkeiten mit Brutto und Netto.

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