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Aus: Ausgabe vom 01.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Aufrüstung und Angst

Kritik an Dobrindts Drohnenabwehr
Von Arnold Schölzel
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In die Wirtschaft kommt kein Schwung, das Wahlvolk wählt zum großen Teil falsch, reagiert auf die Regierungstätigkeit überhaupt mürrisch, und jetzt fliegen auch noch überall Drohnenschwärme herum. Keiner weiß, woher sie kommen, andererseits wissen im Polituniversum alle: Es sind russische. Ruhe an der Heimatfront sieht anders aus. Musterfall: An die 40 Spezialkräfte des niedersächsischen Landeskriminalamts stürmten am 7. September in Kiel einen »Schattenflotten«-Kahn wegen »Putin-Spionage« (Focus) und veranstalteten eine »Drohnenrazzia« (Süddeutsche Zeitung). Seitdem hat die Öffentlichkeit nichts mehr von der »Scanlark« gehört, obwohl sie noch in Kiel liegt. Hat mit Piraterie nichts zu tun, Deutschland wehrt sich bloß. Waffenlieferungen an die Ukraine oder an Israel sind auch nur Abwehr – so wie 20 Jahre Bundeswehr in Afghanistan. Aber dann kommt Friedrich Merz am Montag abend mit: »Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden.« Der Mann hat großes Talent für politische Klarheit.

Diesmal kam seinem Willen zu Blut und Eisen in Billionen-Euro-Dimensionen die Angstmacherei dazwischen. Erst 2029 greift ja nach bisheriger NATO-Festlegung Russland an. Das haben nun die Drohnen und anderes angeblich von Moskau Gelenktes um vier Jahre verkürzt. Mit dem Merzschen Mischmasch aus Krakeel über »stärkste Armee«, Führung in der EU plus Unabhängigkeit von den USA hier und steigernder Angstschweißproduktion dort wird die allgemeine Stimmung im Griesgram belassen und im kommenden Jahr der fünf Landtagswahlen ein Schlager der Opposition sein. Wie wäre es, einfach die geplante Stationierung neuer US-Angriffsraketen sein zu lassen? Davor Angst zu haben, ist berechtigt. Vor allem aber: Merz destabilisiert die Heimatfront. Deutschland sei doch längst am Ukraine-Krieg beteiligt, wundert sich Moskau und fügt höflich »indirekt« an. Da hat es einen Punkt.

Wenn der Kutscher den Karren so schleudern lässt, kommen Partei-, Koalitions- und andere »Freunde« aus der Deckung. Roderich Kiesewetter will den »Spannungsfall« ausrufen, was automatisch die Wehrpflicht einsetzen ließe. Denn Russland wolle mit seinen Drohnen »das Schlachtfeld« vorbereiten. Dem Geblök stehen die Bündnis-90/Die-Grünen-Sirenen nicht nach: »bislang praktisch ungeschützt«. Und dann ist da noch die niedersächsische SPD-Innenministerin Daniela Behrens, die sich bei der Drohnenabwehr vom Bundesinnenminister »mehr Energie« wünscht, »keine Minute« sei zu verlieren.

Sie sieht das falsch. Dobrindt ist unterm Diktat der AfD vollauf mit der Abwehr von Asylbewerbern beschäftigt. Und laut der deutschen Rüstungsindustrie ist der »Drohnenwall« im Osten ohnehin fast fertig. Er wird – Überraschung – laut EU-Konzept auch für die Migrantenjagd geeignet sein und »Offensivfähigkeiten« haben. Läuft doch wie gewohnt, nur Merz sorgt für Verzagtheit.

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