Experiment Einheitskandidatin
Von Dieter Reinisch
Am 24. Oktober wählt die Republik Irland einen Nachfolger für den populären Präsidenten Michael D. Higgins. Der Sozialdemokrat tritt nach zwei Amtszeiten nicht mehr an. Die Nachfolgesuche bei den Parteien erweist sich allerdings als schwierig. Nach langem Zögern hat die größte Oppositionspartei, die linksrepublikanische Partei Sinn Féin (SF), nun beschlossen, doch eine linke Einheitskandidatin zu unterstützen. Am Wochenende stellte die Partei sich hinter die Parlamentsabgeordnete Catherine Connolly. Diese wird auch von den beiden sozialdemokratischen Parteien Labour, SocDems, den im Parlament vertretenen irischen Trotzkisten und den Grünen unterstützt.
Catherine Connolly ist Prozessanwältin und Abgeordnete von Galway im Westen der irischen Insel. Sie begann ihre politische Karriere bei Labour und wurde 2004 Bürgermeisterin von Galway City. 2006 trat sie nach einem Streit über ihre gescheiterte Nominierung als Labour-Kandidatin aus der Partei aus. Seit 2016 sitzt sie als Unabhängige im Parlament in Dublin. Die anderen linken Parlamentsparteien unterstützten sie bereits seit dem Sommer. Doch SF zögerte lange. Viele in der Partei befürchteten einen Profilverlust, wenn es keinen eigenen Kandidaten gibt. Außerdem würden dann nicht die Wahlkampfthemen bestimmt werden können, war zu vernehmen.
Andere SF-Mitglieder kritisierten, dass sich Connolly in der Vergangenheit nicht klar für eine Wiedervereinigung der Insel ausgesprochen hatte. Mit dem Beginn ihrer Kandidatur hat sich dies jedoch geändert. So erklärte sie bei einem Wahlkampfbesuch in Belfast am 28. August gegenüber BBC: Sie werde ihre Stimme »auf jede erdenkliche Weise« für ein vereintes Irland einsetzen. Viele Beobachter vermuteten, dass dies ein Schritt in Richtung von SF sei.
Kurz nach Bekanntgabe, Connollys Kandidatur zu unterstützen, gab es eine Feier zum Wahlkampfauftakt in Dublin am Montag abend. Unter den zahlreichen Teilnehmern in der gefüllten Halle waren viele bekannte Gesichter der irischen Linken und mehrere Parlamentsabgeordnete, etwa Paul Murphy von der trotzkistischen People Before Profit und Roderic O’Gorman von den Grünen. Auch SF-Chefin Mary Lou McDonald, die viele Anhänger gern als Kandidatin gesehen hätten, war unter den Rednern des Abends: »Wir sind vereint. Wir sind entschlossen. Wir sind bereit, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um Catherine Connolly zu unserer nächsten Uachtarán na hÉireann (Präsidentin Irlands, jW) zu wählen«, rief sie der Menge zu.
Erst am Sonnabend hatte die SF-Parteiführung bei einem Treffen einem Vorschlag McDonalds zugestimmt, Connolly formell zu unterstützen. »Unsere Aufgabe ist es, Fianna Fáil und Fine Gael aus der Regierung zu werfen und sie vom Präsidentschaftsamt fernzuhalten«, schrieb sie in einem Social-Media-Beitrag zu den beiden konservativen Parteien. Einer Umfrage von Anfang September zufolge liegt Fine-Gael-Kandidatin Heather Humphreys in Führung. Die Red-C-Umfrage für die Sunday Business Post sieht sie bei 22 Prozent, gefolgt von Fianna-Fáil-Kandidat Jim Gavin mit 18 Prozent. Connolly lag in dieser Umfrage auf dem dritten Platz mit 17 Prozent. Ein Teil der Umfrage wurde jedoch durchgeführt, als auch die Zustimmungswerte von McDonald abgefragt wurden. Dabei erhielt sie 21 Prozent. Insgesamt gaben 36 Prozent der Befragten an, unentschlossen zu sein.
Daneben hoffen einige weit dahinterliegende Kandidaten, vor allem rechte Politiker und Geschäftsleute, ausreichend Unterstützung zu erhalten, um auf dem Wahlzettel stehen zu können. Die Nominierungsfrist für die Präsidentschaftswahlen endet diesen Mittwoch.
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