»Viele geben zu, davon noch nie gehört zu haben«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Bundesweit gab es am Sonnabend Veranstaltungen zum Weltkindertag der Vereinten Nationen. Das Friedensforum in Bonn klärt mit Mahnwachen darüber auf, wie die Bundeswehr mit der Rekrutierung Minderjähriger deren Rechte verletzt. Wie groß ist das Ausmaß?
Nach Angaben der Bundesregierung haben seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 bis ins Jahr 2024 exakt 21.839 Jugendliche unter 18 Jahren Dienst in der deutschen Armee geleistet. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention. In der UN-Stadt Bonn, die sich in besonderer Weise den Kinderrechten verpflichtet sehen sollte, versuchen wir mit unserer Kampagne bei den monatlich stattfindenden Mahnwachen, über diesen Skandal zu informieren.
Weshalb kritisieren Sie bereits das bloße Anschreiben von Jugendlichen durch die Bundeswehr?
Wenn die Einwohnermeldeämter automatisch die Daten von Minderjährigen an die Bundeswehr weitergeben, ist das problematisch, weil eine gezielt an Jugendliche gerichtete Werbung für den Militärdienst den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention widerspricht. Die Bundeswehr und die politisch Verantwortlichen schert das aber nicht. Das Militär wirbt auch auf sogenannten Jobbörsen und Bildungsmessen, die von Jugendlichen häufig stark besucht werden.
Ihre Kampagne läuft seit Juni. Wie kommt sie bei der Bonner Bevölkerung bislang an?
Unsere Gesprächsangebote werden meistens sehr positiv aufgenommen. Viele geben zu, von Minderjährigen in der Bundeswehr noch nie gehört zu haben, und halten dies für unmöglich. Die Menschen sind dankbar für die Information und nehmen unser Material gerne mit. Selbstverständlich gibt es auch Widerspruch, vor allem zu einem Banner. Und wenn am Ende eines Meinungsaustausches unser »Bonner Appell« unterzeichnet wird, war unser Engagement besonders erfolgreich.
Sie fordern von der Stadt Bonn, die Kampagne zu unterstützen. Zeigt sich die Stadtspitze gesprächsbereit?
Die Stadt soll sich nachdrücklich beim Deutschen Städtetag, bei der Bundesregierung und im Bundestag für Gesetzesänderungen einsetzen, damit keine Daten von Jugendlichen mehr von den Meldeämtern an die Bundeswehr weitergegeben werden. Die Bundeswehr muss diese Werbung beenden und darf keine Jugendlichen mehr einstellen. Die amtierende Oberbürgermeisterin (Katja Dörner von Bündnis 90/Die Grünen, jW) und der zuständige Behördenleiter haben uns zu Gesprächen empfangen. Sie haben allerdings darauf hingewiesen, dass für eine Änderung des Soldatengesetzes bzw. des Bundesmeldegesetzes der Bundestag zuständig sei. Die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse dort geben überhaupt keinen Anlass zur Hoffnung, im Gegenteil: Das »Wehrdienstmodernisierungsgesetz«, über das das Parlament demnächst abstimmen wird, lässt auch für das Thema Minderjährige in der Bundeswehr Schlimmstes befürchten.
In Bonn findet am kommenden Sonntag die Stichwahl für das Amt des Bürgermeisters statt. Rechnen Sie mit mehr Unterstützung für Ihre Kampagne im Fall eines Wechsels?
Es ist überhaupt nicht damit zu rechnen, dass ein CDU-Oberbürgermeister unsere Forderungen unterstützt. Sollte die Amtsinhaberin wiedergewählt werden, zählen wir weiterhin auf ihre grundsätzliche Unterstützung. Sie hatte 2020 als Bundestagsabgeordnete gefordert, dass junge Menschen erst ab 18 Jahren rekrutiert werden dürfen.
Die Bonner Friedensbewegung hat mehrere Beratungsabende zur Kriegsdienstverweigerung angeboten. Wird das angesichts des geplanten »Neuen Wehrdienstes« verstärkt genutzt?
Der Informationsabend im Rahmen der »Bonner Friedenstage« bildete den Auftakt für die regelmäßig montags stattfindenden Beratungsabende. Er war mit etwa 40 Personen recht gut besucht und hat dem achtköpfigen Beratungsteam deutlich gemacht, dass es großen Gesprächs- und Beratungsbedarf gibt. Darauf sind wir gut vorbereitet.
Armin Lauven ist aktiv im »Friedensforum Bonn«
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