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Aus: Ausgabe vom 23.09.2025, Seite 5 / Inland
Neue Bahn-Strategie

Tapferes Schniederlein

Bundesverkehrsminister verspricht Rückkehr der Bahn zum Kerngeschäft und setzt Lokführerin an Konzernspitze. Kritik durch Gewerkschaft EVG
Von Ralf Wurzbacher
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Evelyn Palla, bisher Frontfrau bei DB Regio, soll künftig der Misere des Bahn-Konzerns beikommen

Das gab es noch nie: eine Chefin an der Spitze der Deutschen Bahn (DB), noch dazu eine, die vom Fach ist, dekoriert mit einem Lokführerschein, nicht mit einer Rolex für die ersten 1.000 Entlassungen. Mit der am Freitag bekanntgewordenen Berufung von Evelyn Palla, bisher Frontfrau bei DB Regio, zur neuen Vorstandsvorsitzenden trifft Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder eine mutige, aber überfällige Entscheidung. Um das kriselnde Staatsunternehmen wieder in die Spur zu bringen, braucht es echte Eisenbahner, keine weiteren Kaputtsanierer. Aber stellt der CDU-Politiker die Weichen nicht nur personell, sondern auch strukturell auf Zukunft?

Die am Montag von ihm vorgestellte »neue Bahn-Strategie« gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus. »Der Konzern muss sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren«, äußerte sich Schnieder vor Pressevertretern in Berlin, »mit klarem Fokus auf Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit«. Doppelstrukturen müssten abgeschafft und die Netzgesellschaft Infra-Go »im Rahmen des integrierten Konzerns entflochten« werden. Die Sparte war zu Jahresbeginn mit der Ansage »Gemeinwohlorientierung« neu aufgesetzt worden, wird seither aber wie eh und je vom Mutterkonzern beherrscht. Auch hier soll ein Führungswechsel die Wende einleiten. Philipp Nagl wird seinen Posten räumen und durch Dirk Rompf ersetzt, der früher schon einmal sechs Jahre lang der DB Netz AG vorstand, dem Vorgänger der Infra-Go. Während er laut Schnieder »genau der Richtige für diese Mammutaufgabe« ist, sieht die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihn als Altlast. Er sei durch seinen »Sparwahn mit Schuld an der heutigen Situation«, monierte am Montag Verbandschef Martin Burkert und kündigte an, im Aufsichtsrat gegen Rompf und die Bestellung Pallas zu votieren. Das Gremium tagt am Dienstag und am Mittwoch.

Der Konzern befinde sich bei allen wichtigen Kennziffern auf Abwärtskurs, und die diversen Sanierungsprogramme hätten »keinen nachhaltigen Erfolg erzielt«, sagte Schnieder. Er kündigte einen »fundamentalen Neuanfang« an, die DB müsse sich »klar an den Bedürfnissen der Kunden orientieren« und wieder zu einem »zukunftsfähigen und zuverlässigen Arbeitgeber« werden. Und er halte nichts von leeren Versprechen. Die hochgesteckten Ziele der DB-Zentrale in puncto Pünktlichkeit seien »jenseits aller Realität«, monierte der 57jährige. Ausgegeben wurde eine Quote von mindestens 75 Prozent im Fernverkehr bis 2027. Schnieder schwebt dagegen ein Wert von 70 Prozent bis Ende 2029 vor. Auch in anderen Punkten deutet der CDU-Mann Konfrontationswillen an. Eine Schrumpfkur avisierte er sowohl mit Blick auf die Vorstandsetagen – sechs statt acht Chefposten bei DB-Holding und Infra-Go – als auch hinsichtlich bahnfremder Beteiligungen, die gebündelt beziehungsweise »mittelfristig« verkauft werden sollten.

Den Auftakt seiner Vorhaben sollen »drei Sofortprogramme für ein besseres Reiseerlebnis« bilden: für »mehr Sicherheit und Sauberkeit an Bahnhöfen«, zudem »bessere Kundenkommunikation« und »mehr Komfort in den Zügen des Fernverkehrs«. Allerdings dämpfte die designierte DB-Chefin Palla überzogene Erwartungen. »Nichts wird schnell gehen, das ist kein Sprint«, die Sanierung sei »ein Marathon«, bekräftigte sie und weiter: »Wir nehmen heute den Taktstock für eine neue Ära in die Hand. Eine Ära, in der wir uns wieder auf das konzentrieren, was uns im innersten Kern ausmacht: das Eisenbahngeschäft.« Fraglich bleibt indes, ob das auch der Kurs der gesamten Bundesregierung ist. Schnieders »Agenda«, die bisher nicht den Segen des Bundeskabinetts hat, sieht deutlich mehr Steuerung durch den Bund als DB-Alleineigentümer vor. Das Unternehmen habe die Vorgaben »effektiv und effizient« umzusetzen und »ist für die Zielerreichung verantwortlich«, heißt es.

Beim Bündnis »Bahn für alle« ist man gebremst zuversichtlich ob der Verlautbarungen. »Schnieder will die Bahn steuern, die Fahrgäste in den Mittelpunkt stellen, das Management verschlanken. Alles bestens«, meinte am Montag Sprecher Carl Waßmuth gegenüber junge Welt. Bei »Entflechtung« gelte es jedoch aufzupassen, »das ist die neueste Beschönigung für Zerschlagung.« Davor sei man nur sicher, »wenn die ganze Bahn qua Satzung gemeinnützig« wird, betonte Waßmuth.

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