Unbequemer Report
Von Thomas Berger
Dass bei der jüngsten Parlamentswahl in Pakistan vor gut eineinhalb Jahren einiges nicht rechtens gelaufen ist und die größte Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) des ehemaligen Premiers Imran Khan behindert wurde, ist kein Geheimnis. So war der PTI von der Wahlkommission das Parteisymbol entzogen worden. Daraufhin konnten ihre Kandidaten nicht unter diesem vereinten Banner antreten, sondern standen formell als Unabhängige auf den Stimmzetteln. Dennoch schaffte es die Partei, im Ergebnis die meisten Stimmen und Sitze in der Nationalversammlung zu erzielen. Später wurden ihr, inzwischen gerichtlich bestätigt, auch noch eigentlich nach Stimmenanteil zustehende Zusatzmandate für Frauen und Minderheiten vorenthalten. Als Begründung dafür diente ausgerechnet der Entzug des Parteistatus zum Zeitpunkt der Wahl.
Zu denen, die mit eigenen Wahlbeobachtern beim Urnengang im Februar 2024 im Einsatz waren, gehörte auch der Commonwealth, also das lose Bündnis, bestehend aus Großbritannien und über 50 seiner ehemaligen Kolonien. Ein 13köpfiges Team unter der Leitung des früheren nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan wurde dazu entsandt. Obwohl erste mündliche Stellungnahmen der Gruppe eher positiv ausfielen, spart der schriftliche Bericht des Teams nicht mit Kritik. Bis heute ist er nicht offiziell veröffentlicht. Jetzt entwickelt sich zum Skandal, dass hochrangige Stellen im Commonwealth-Sekretariat das für die politische Führung in Islamabad unter Premier Shehbaz Sharif missliebige Dokument offenbar auf deren Bitte unterdrückt haben. Ein Whistleblower hat den Fall an das investigative Nachrichtenportal Drop Site News durchgestochen, das am Wochenende berichtete.
Der Commonwealth begnügt sich in einer ersten Reaktion mit wenigen Sätzen auf seiner Webseite. »Wir sind uns bewusst, dass eine Version des Berichtes der Commonwealth Oberserver Group (COG) über die pakistanischen Wahlen 2024 online zirkuliert. Es ist unsere Richtlinie, dass das Sekretariat keine Stellungnahme zu geleakten Dokumenten abgibt.« Angekündigt wird, dass der Bericht – den die pakistanische Regierung und Wahlkommission schon erhalten habe – noch bis Ende September regulär vorgestellt werde. Ob dies schon vorher so geplant war oder das Papier so lange wie möglich unter Verschluss bleiben sollte, ist unklar.
In dem Bericht stellt die COG der Wahl in einigen Punkten durchaus ein positives Zeugnis aus, etwa die erhöhte Beteiligung von Frauen. Zudem sei es aufgrund der Sicherheitslage nicht einfach gewesen, die Abstimmung für 128 Millionen Wahlberechtigte zu gewährleisten. Schon im Vorwort kommen die Wahlbeobachter aber zu dem Schluss, dass der Entzug des Parteisymbols die PTI stark benachteiligt habe und so die Chancengleichheit der Parteien eingeschränkt wurde. Behördenentscheidungen und Gerichtsurteile bezüglich der PTI hätten zudem dem Gleichheits- und Fairnessprinzip geschadet, so die Bewertung. Auch die zur Wahl verhängte Internetblockade, Zensur bestimmter Medieninhalte und Inhaftierung von Oppositionellen werden äußerst kritisch bewertet.
Ein großes Fragezeichen setzt die COG hinter das Urteil des Obersten Gerichtshofes. Der Supreme Court hatte in einer letztinstanzlichen Entscheidung den Entzug des PTI-Parteisymbols gebilligt. Damit wurde ein Urteil des Peschawar High Court, der zuvor die Verfügung der Wahlkommission kassiert hatte, aufgehoben. Die Commonwealth-Wahlbeobachter irritierte die SC-Begründung. Die Wahlkommission hatte die angeordnete Neuwahl der Parteispitze als nicht rechtmäßig bewertet, dem Gericht zufolge habe die Wahl aber nicht einmal stattgefunden. Unterzeichnet wurde der Bericht von allen 13 COG-Mitgliedern.
PTI-Sprecher Shaikh Akram reagierte zu Wochenbeginn auf die Affäre und sagte bei einer Pressekonferenz in Richtung Commonwealth: »So etwas hat es in 70 Jahren noch nicht gegeben.« Die Partei forderte die EU auf, auch ihren Wahlbeobachterreport nun proaktiv öffentlich zu machen, bevor dieser ebenfalls geleakt werde, und mahnt vollständige Aufklärung an.
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