Aus Leserbriefen an die Redaktion

Es schmerzt
Zu jW vom 6./7.9.: »›Es geht um imperialistische Ansprüche‹«
»Denk ich an den Bodensee, so tut mir gleich der Beutel weh.« So der Chronist des Konzils zu Konstanz (1414–1419), Oswald von Wolkenstein. Was würde ihm wohl heute noch so alles wehtun?
Reinhard Hopp, Berlin
Es mundet
Zu jW vom 6./7.9.: In neuer tiefer Liebe
Solch knackige Alltagsgedichte treffen genau meinen lyrischen Geschmack und gehen dem Dichter zumindest meiner persönlichen Erfahrung nach recht leicht von der Hand. Sogar das Gendern, dem ich aus ästhetischen Gründen und meiner Assoziation mit kriegslüsternen Linksliberalen wegen normalerweise nicht viel abgewinnen kann, ist so im Gedicht eingebaut, dass es sogar einen echten Mehrwert bietet. Das feste Reimschema und das einheitliche Versmaß heben es positiv von dem Ramsch der 2020er-Jahre-Popkultur ab. Zudem bezaubert es durch seine Schlichtheit, und besonders gefällt mir, dass der Hauptgegenstand des Gedichts, der Blumenkohl, erst ganz am Ende erwähnt wird, so dass der Leser bis zum Schluss rät, welches Lebensmittel genau gemeint sein könnte. Wenn ich das nächste Mal Blumenkohl esse, werde ich an dieses Gedicht denken.
Milo Alberto Nowak, Butzbach
Es highlightet
Zu jW vom 8.9.: Berufkraut
Jürgen Roth ist mit seinen herrlichen Polemiken über Robertissimo H. immer wieder eine Freude. Wenn man, den Nachdenkseiten sei Dank, gesehen und gehört hat, was Herr Habeck auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen im November 2024 seinen gläubigen Anbetern für eine Lügengeschichte über die »Baltic Pipe« und »die Lösung aller Energieprobleme« vorgeschwindelt hat, ist jedes Wort von Jürgen Roth die reine Wahrheit. Nach Lektüre dieses Highlights aus der Provinz ging ich in meinen Garten und kümmerte mich ebenfalls um das überall wuchernde Berufkraut.
Emmo Frey, Dachau
Es tafelt
Zu jW vom 2.9.: Merz will fünf Milliarden Euro beim »Bürgergeld« kürzen
Ach, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, warum den Betrag so mühselig und unter Protest akquirieren? Es geht doch viel einfacher bei Ihnen Nahestehenden. Die Zahl der deutschen Milliardäre ist gegenüber 2024 auf 249 angewachsen. Ein paar Steuern machen die nicht arm. Oder Ihre Politikerkollegen. Herr Schröder verfügt über 20 Millionen, Sie selbst über zwölf und Herr Scholz hat auch vier Millionen. Seien Sie doch alle mal etwas großzügig und spenden den Fehlbetrag, den Otto Normalverbraucher nicht verursacht hat. Sie bräuchten trotzdem nicht zur Tafel.
Wilfried Schubert, Güstrow
Es spült
Zu jW vom 2.9.: Können wir uns Merz noch leisten?
Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, wenn Friedrich Merz, geschätzt 15facher Millionär und weniger geschätzter Bundeskanzler, uns erklärt, dass unser »Sozialstaat nicht mehr finanzierbar« sei und »wir« uns den nicht mehr leisten könnten. »Nicht leisten« können wir uns wohl eher nicht mehr, dass er und Seinesgleichen, bis hin zu den Superreichen, nicht wie die meisten Bürger in unsere Sozialsysteme einzahlen! Unser Sozialstaat ist keine »Leistung« dieses Staates oder gar der Regierung, sondern eine Errungenschaft unseres Volkes, die es zu verteidigen und weiterzuentwickeln gilt durch ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit. Ein Wirtschaftsexperte stellte vor kurzem fest, dass eine Besteuerung der oberen zehn Prozent der Bevölkerung wie in Frankreich, im Vereinigten Königreich oder in den USA ca. 120 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen würde – nun denn!
Michael Kuhlendahl, Hannover
Es stinkt
Zu jW vom 6./7.9.: Der Killerpate
Artikel wie dieser von Susann Witt-Stahl heben für einen Augenblick den Deckel von dem großen Kessel, in dem die Jauche kocht. Aber keiner in der Regierung und fast keiner in der Partei Die Linke riecht etwas. Spätfolgen von Corona? In der Bundespressekonferenz würde man zu jedem der hier in Überfülle präsentierten Fakten und Zeugenaussagen bermerken: »Dazu liegen uns keine Informationen vor. Dafür sind wir nicht zuständig. Erkundigen Sie sich dort und dort.« Das Schweigekartell funktioniert aber dank junge Welt doch nicht ganz lückenlos. Sollte diese neonazistisch verseuchte Ukraine tatsächlich Mitglied der EU werden, was ich vorerst nicht glaube, dann würde sich gemeinsam mit ähnlichen Tendenzen in den baltischen Staaten und Wahlsiegen rechtsextremer Parteien in den übrigen Staaten die braune Soße dieses ukrainischen Kochtopfs über ganz Mittel- und Westeuropa ergießen. Da braucht dann auch nichts mehr unter dem Deckel gehalten werden. Das wird dann die neue Staatsdoktrin.
Fred Buttkewitz, Ulan-Ude (Russland)
Es treibselt
Zu jW vom 9.9.: Falsche Hoffnungen
»Treibsel« unterirdisch einzulagern, z. B. als Teil der Ewigkeitsaufgaben in stillgelegten Bergwerken, wäre eine sinnvolle Möglichkeit der CO2‑Reduktion. Es besteht zu 90 bis 99 Prozent aus Pflanzenmaterial. Das Treibsel muss sowieso vom Strand entfernt werden und wird gegebenenfalls zu Sondermüll. Die deutsche Nord- und Ostseeküste ist ganz schön lang … Und unsere Enkel könnten in zwei-, dreihundert Millionen Jahren wieder Steinkohle aus den alten Bergwerken fördern. Im Ernst: Technisch stehen alle Mittel zur Verfügung, den Klimawandel aufzuhalten. Was nicht zur Verfügung steht, ist der Wille bei großen Teilen der herrschenden Eliten dazu; ihre Interessenlagen sprechen dagegen.
Heinrich Hopfmüller, Stadum
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