Schuldenschauplatz USA
Von Lucas Zeise
Standard & Poor’s hat die Bewertung der US-Staatsschulden vor ein paar Tagen mit AA+ auf dem zweithöchsten Niveau unverändert gelassen. Welche Freude und Erleichterung! Dazu muss man wissen, dass die andere Ratingagentur Moody’s zehn Tage zuvor die Anleihen des US-Zentralstaates von Aaa auf Aa1 abgewertet hatte. Die beiden Ratingagenturen bilden zusammen mit einer dritten, Fitch genannt, ein Triopol, also ein aus drei Anbietern bestehendes informelles Kartell auf dem weltweiten Finanzmarkt für Schuldenbewertung. Weil das so ist, wird in Festreden zur Begrenzung der Schulden gern darauf verwiesen, wie bedeutend das Urteil der Ratingagenturen zur Fähigkeit der Schuldner ist, die ihnen gewährten Kredite mit Zins und Tilgung zu bedienen. In der Praxis der Anleihemärkte spielen sie keine größere Rolle. Vielmehr folgen ihre Urteile im allgemeinen dem Markttrend. Das wird auch deutlich an den Begründungen, die sie mit ihrer jeweiligen Notenvergabe mitliefern.
Moody’s hatte die Herabstufung der USA als Schuldner damit begründet, es sei zu befürchten, das Staatsdefizit des Landes könne im laufenden Jahr beinahe neun Prozent am BIP ausmachen. Genauso konnte man das auch in Finanz- und anderen Zeitungen anlässlich der Verabschiedung von Donald Trumps »Big Beautiful Bill« durch den US-Kongress Ende vergangenen Monats lesen. Dieses Gesetz sah neben massiven Steuersenkungen für die Reichen und Superreichen auch die Erhöhung der Schuldenobergrenze um fünf auf 41 Billionen (41.000.000.000.000) US-Dollar vor. Die Schuldenobergrenze funktioniert in den USA so, dass die Regierung beim Erreichen der Grenze keine weiteren Ausgaben tätigen darf. Das kommt immer mal wieder vor. Staatsangestellte erhalten dann so lange keine Gehälter mehr und Sozialleistungen werden so lange zurückgehalten, bis das Parlament geruht, die Obergrenze anzuheben. Die vorsorgliche Anhebung der Schuldengrenze in diesem Sommer spiegelt sehr gut die Mehrheit wider, über die die Regierung Trump in beiden Häusern des Kongresses verfügt.
Bei dem Tempo, mit dem die US-Staatsschulden derzeit zunehmen, dürfte die neue Obergrenze von 41 Billionen US-Dollar in zwei Jahren erreicht sein. Trumps Finanzminister Scott Bessent freut sich in der Zwischenzeit auf die satt zunehmenden Zolleinnahmen und rechnet mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar aus Zöllen jährlich, verglichen mit früher etwa 80 Milliarden US-Dollar. Auch Standard & Poor’s begründet das milde Urteil mit diesen zusätzlichen Staatseinnahmen. Grob gerechnet dürften die zusätzlichen Zolleinnahmen die Aufblähung der Staatsschuld bis zur Obergrenze um lächerliche sechs Monate verzögern.
Die Schuldengrenze in den USA ist wie in Deutschland und anderswo ein politisches Konstrukt. Sie wird je nach Bedarf mythisch verklärt, strikt eingehalten, durchlöchert, bekämpft oder einfach beseitigt. Gegen den weltweiten Trend des sich aufblähenden Staatskredits (dessen krasse Beschleunigung seit der großen Finanzkrise 2007/08 die Bank für internationalen Zahlungsausgleich BIZ beklagt) haben solche Regeln nichts vermocht.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich Hopfmüller aus Stadum (22. August 2025 um 21:28 Uhr)»Gegen den weltweiten Trend des sich aufblähenden Staatskredits … haben solche Regeln nichts vermocht.« Na ja, es gibt Gleiche und ganz Gleiche. Zu den Gleichen gehört zum Beispiel Griechenland, da sitzt dann plötzlich eine Troika und sagt an, was zu tun ist. Stell dir vor, eine Troika aus RF, DVRK und VRC täten das in USA.
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