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Aus: Ausgabe vom 01.09.2025, Seite 4 / Inland
Solidaritätsbewegung

Alle Vorwürfe widerlegt

Über 30.000 Menschen bei palästinasolidarischer Demo in Frankfurt am Main
Von Anton Fromageot, Frankfurt am Main
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Demonstranten in Frankfurt am Main am Sonnabend

Am Sonnabend fand in Frankfurt am Main trotz des Versuchs der Stadt, die Demo verbieten zu lassen, die bundesweite »United4Gaza«-Demonstration statt. Schätzungsweise 35.000 Menschen zogen ab 15 Uhr vom Hafenpark zum Roßmarkt, um gegen den Genozid in Gaza und die deutsche Unterstützung für die israelische Regierung zu protestieren. Das war die bislang größte Solidaritätsbekundung für Palästina in Frankfurt. Im Demoaufruf hatte das Bündnis einen Boykott Israels, die Achtung des Völkerrechts, uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe und die Entkriminalisierung der Palästina-Solidarität gefordert.

Kritik an der Demonstration kam zuvor vom hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, die beide eine erhöhte Gefahrenlage für Juden und Jüdinnen wahrgenommen haben wollten. Mit dieser völlig unbelegten Begründung verbot am Mittwoch auch die Stadt die Demonstration. Das Verwaltungsgericht bezeichnete das Verbot allerdings in seinem Urteil als »nicht im Ansatz gerechtfertigt«. Die Berufung der Stadt beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel wurde ebenso als unbegründet abgelehnt, womit die Demo stattfinden konnte. Dass man diesen Diffamierungen, antipalästinensischen Ressentiments und staatlichen Repressionen standgehalten habe, sei ein Erfolg nicht nur für die Palästina-Solidarität in Frankfurt, sondern für die gesamte Bewegung, sagte Pressesprecher Amin gegenüber jW. Dies seien juristische Siege, auf denen die Bewegung in ganz Deutschland aufbauen könne.

Während die Demonstration größtenteils friedlich verlief, stürmten um 19 Uhr Polizisten den Lautsprecherwagen, um den Moderator festzunehmen. Ihm wurde dem Vernehmen nach Relativierung des Holocaust und der Angriffe vom 7. Oktober 2023 vorgeworfen. Dafür erhielt er einen Platzverweis und Redeverbot. Auf Instagram kündigte er an, dagegen juristisch vorzugehen. Aufnahmen zeigen, wie bei der Festnahme einem Mann ins Gesicht geschlagen und er mit dem Kopf gegen den Wagen geschleudert wurde. Er musste behandelt werden. Die gesamte Zeit zog die Polizei derweil Menschen aufgrund angeblich verbotener Symbole und Parolen aus der Menge. Ein häufiger Vorwurf ist das vermeintliche Zeigen der »Samidoun-Faust«, wobei diese Vorwürfe juristisch selten Bestand haben. Vereinzelt kam es zu Konfrontationen mit Provokateuren; eine sichtbare größere Gegenaktion blieb aber aus. Zum Ende der Demonstration verkündete eine Veranstalterin, man habe alle zuvor erhobenen Vorwürfe entkräftet: »Wir waren friedlich!«

Unter den zahlreichen Rednerinnen und Rednern war ein palästinensischer Arzt, der im Nasser-Krankenhaus in Gaza gearbeitet hat und unter Tränen von seinen Erfahrungen berichtete: Kinder mit Kugeln im Hinterkopf, Hunde, die Leichen auffressen, und getötete schwangere Frauen. Er fragte: »Wie abgrundtief pervers muss ein Mensch sein, um auf den Kopf eines Kindes zu zielen und abzudrücken?« Die palästinensische Journalistin Hebh Jamal, die regelmäßig in Frankfurt auftritt, rief in ihrer Rede aus: »I’m a Palestinian, the daughter of Palestinian Refugees. And we will return! This country cannot tell me where I am from. I’m from a place of resistance, a place of sumud!«

Der Demonstrationszug war so lang, dass der Lautsprecherwagen nur den vorderen Teil der Demo bespielen konnte. Im hinteren Teil sammelten sich immer wieder Menschenmengen spontan um Megaphone und Trommler und riefen »Von Frankfurt bis nach Gaza, Yallah Intifada« und »From the River to the Sea«. Eine Aktivistin erklärte gegenüber dieser Zeitung: »Diese Demonstration zeigt: Der Widerstand lebt und er ist unsterblich!«

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