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Aus: Ausgabe vom 01.09.2025, Seite 4 / Inland
Repression gegen Friedensbewegung

Nur noch Schlägertrupp

Köln: Antikriegsdemo von »Rheinmetall entwaffnen« gewaltsam abgebrochen. Dutzende Verletzte. »Revolutionärer Block« im Visier der Staatsgewalt
Von Max Grigutsch, Köln
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Polizisten und eingekesselte Demonstranten am Sonnabend in Köln

Wer sich dem staatlichen Aufrüstungsprogramm entgegenstellt, bekommt es mit dessen bewaffnetem Arm zu tun. Aufmarschierte Polizei brach am Sonnabend die »Kölner Parade gegen den Krieg« vorzeitig ab – selbstverständlich nicht ohne das übliche Säbelrasseln und einige Handgreiflichkeiten. Den Zwischenruf vom Lautsprecherwagen, dass die Polizei »jetzt wirklich nur noch eine Schlägertruppe« sei, bestätigten die Einsatzkräfte nach Kräften. »Wir erleben gerade einen der heftigsten Einsätze in unserer Gruppengeschichte mit unzähligen Verletzten«, teilte die anwesende Sanitätsgruppe Süd-West in der Nacht zum Sonntag auf der Onlineplattform Instagram mit. Sie gingen von »einer hohen zweistelligen bis niedrig dreistelligen« Verletztenzahl bei den Demonstranten aus.

Aufgerufen zu der Demonstration hatten das bundesweite Antikriegsbündnis »Rheinmetall entwaffnen« und das Kölner Friedensforum; dem Aufruf folgten nach Angaben der Organisatoren und der Polizei rund 3.000 Kriegsgegner. »Wir kämpfen für die Lösung der dringendsten Frage dieser Zeit«, stimmte ein Bündnisredner die Versammelten zum Auftakt am Kölner Heumarkt ein. Für »Rheinmetall entwaffnen« sollte die Parade ein »offener«, auch »künstlerischer« Abschluss ihres Protestcamps im Kölner Grüngürtel werden, wie Jonah Fischer vom Veranstalterbündnis vor der Demo gegenüber jW erklärte. Mit Themenwagen, Performances, Musik, aber auch mit »Großdemocharakter« sollte gegen »die militärische Disziplinierung und die Aufrüstung« protestiert werden.

War im Camp noch von einer politischen Zweiteilung in ein »kommunistisches Barrio« und ein »anarchistisches Barrio« die Rede – Fischer resümierte »produktive Diskussionen« –, waren die Verhältnisse während der Parade klarer. Der von diversen kommunistischen Organisationen bemannte »revolutionäre Block« stellte rund die Hälfte der Teilnehmer. Schon kurz nach der Auftaktkundgebung wurde dieser Fraktion eine immer weiter zunehmende polizeiliche Betreuung zuteil – trotz Einschätzung der als parlamentarische Beobachterin anwesenden Bundestagsabgeordneten Lizzy Schubert (Die Linke), die die Demo zwischenzeitlich als »kämpferisch und trotzdem superfriedlich«, das Polizeiaufgebot allerdings als »enorm« beschrieb.

Zunächst waren es die Fahnenstangen, dann Vermummungen, verknotete Seitentransparente oder Rauchtöpfe, die der Staatsgewalt Anlass boten, den Demozug immer wieder anzuhalten. Der finale Zugriff erfolgte am frühen Abend in der Mechtildisstraße, angeblich wegen illegaler Gegenstände im Lautsprecherwagen. Nachträglich begründete die Polizei ihr Vorgehen mit »Angriffen auf Einsatzkräfte«, so eine Pressemitteilung vom Sonntag. Nach einer von jW mitgeschnittenen Aussage eines Beamten – »Wir gehen da rein, sobald die sich bewegen« – drangen die Einsatzkräfte mit Hilfe von Reizgas und Schlagstöcken in die Demo ein und setzten nach Angaben der Veranstalter rund 1.000 Teilnehmer des revolutionären Blocks fest. Reporter von jW und anderer Medien dokumentierten zahlreiche Faustschläge gegen Protestierende und einen Übergriff auf die parlamentarische Beobachterin Schubert. Noch vor der offiziellen Auflösung der Demo berichteten die Veranstalter von 40 bis 60 Verletzten. Es war erkennbar, dass mehrere Personen Platzwunden hatten.

Gegen 20.30 Uhr erklärten die Beamten die inzwischen bewegungsunfähige Demo für aufgelöst und begannen, Teilnehmer zwecks Identitätsfeststellung aus der Menge zu ziehen. Die Maßnahme dauerte bis 5 Uhr früh am Sonntag an. Nach eigenen Angaben nahm die Polizei außerdem »einen Tatverdächtigen wegen Widerstands fest und zwei Personen in Gewahrsam«; die Repressionskräfte wollen zwölf verletzte Beamte gezählt haben. Laut dpa setzte die Polizei am Sonnabend insgesamt 1.600 Beamte in der Stadt ein.

Aber: Wo Repression, da auch Solidarität. Anwohner versorgten die vor ihrer Haustür eingekesselten Demonstranten mit Wasser und Nahrung. Unterstützung gab es auch aus der traditionellen Friedensbewegung. »Als ältere Aktivistin bin ich froh, so viele jüngere Leute hier zu sehen«, sagte ein Mitglied der Friedensgesellschaft DFG-VK gegenüber jW vor Ort. »Das gibt mir Hoffnung.«

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