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Aus: Ausgabe vom 26.08.2025, Seite 10 / Feuilleton
Pop

Weißer Rauch über Nashville

Noch immer hübsch ungehobelt hedonistisch: Das neunte Studioalbum der Wood Brothers »Puff of Smoke«
Von Andreas Schäfler
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Unverbesserliche Frohnaturen: The Wood Brothers

Ob die Wood Brothers bloß unverbesserliche Frohnaturen sind oder womöglich bekennende Anhänger des Lucky-Girl-Syndrom-Kults, ist nicht überliefert. Aber sollen sie, bloß weil es auf der Welt so finster aussieht, etwa traurige Musik machen? Kommt überhaupt nicht in Frage.

Die Wood-Brüder Oliver (Gitarre) und Chris (Bass) plus Hilfsbruder Jano Rix (Schlagzeug und Keyboards) haben ihr Zelt vor ein paar Jahren in Nashville aufgeschlagen und bedienen sich einmal mehr mit gesundem Appetit aus dem großen Americana-Topf. Schaufeln tüchtig Blues, Folk und Indierock auf ihre Pappteller, und ein bisschen Country wird selbstverständlich auch nicht verschmäht bei diesem umstandslosen Picknick im Park. Vom Jazz aber, auf früheren Alben (vor allem den beiden bei Blue Note Records) noch üppig portioniert, wird diesmal nur diskret genascht.

Chris Wood, hauptamtlich für das rustikale Kontra- und E-Bass-Fundament des Trios Medeski, Martin & Wood zuständig, ist hier erst recht die personifizierte Wucht, was eloquente melodische Ausflüge aber keineswegs ausschließt. Bruderherz Oliver gibt wie üblich den leicht verkaterten Leadsänger und Tingeltangelgitarristen. Und Jano Rix, als solider Drummer alles andere als ausgelastet, darf auch wieder die Keyboardwundertüte öffnen. Er fummelt inzwischen so erfinderisch an seinen Hi-Tech- und Lo-Fi-Gerätschaften herum, dass die eigentlich harmlosen Vierminutensongs der Band durchweg abenteuerliche Gestalt gewinnen. Ein Edelhelfer wie John Medeski musste hier also gar nicht mehr aufgeboten werden. Für den New-Orleans-Shuffle »Witness« und die mutwillig verschleppte Ballade »The Waves« hat man zwei Bläser und zwei Streicher dazugeholt, mehr personeller Aufwand wurde nicht betrieben. Und die inbrünstigen Refrains krähen die drei Herren natürlich selbst.

Beim windschiefen Tango-Ohrwurm »Pray God Listens« wähnt man sich schon auf der Grenze zum Hoheitsgebiet von Tom Waits. Noch stärker aber erinnern die Wood Brothers mit ihrem ungeschliffenen Sound und der wohltuend unernsten Haltung an die notorischen Gute-Laune-Garanten von NRBQ, um die es, wahrscheinlich altersbedingt (Gründungsjahr 1967), leider sehr ruhig geworden ist. Die Wood-Brüder haben als Band zwar auch schon 20 Jahre auf dem Buckel, berufsjugendlich klingen sie aber kein bisschen, sondern immer noch hübsch ungehobelt und aufgekratzt. Als wüssten sie nie so recht, was als nächstes passieren wird. Und das ist, speziell dank Jano Rix, ja auch stets ungewiss. Dass er seine Klaviere und Synthis so aberwitzig miteinander verschaltet und gern noch zusätzlich manipuliert, macht die Musik der Band vollends unberechenbar und verleiht dem Album überdies eine ironisch-technoide Komponente.

»›Puff of Smoke‹ handelt davon, loszulassen und sich treiben zu lassen«, sagt Oliver Wood. Für dieses Dreiviertelstündchen musikalischen und textlichen Hedonismus, kleine augenzwinkernde Weisheiten à la John Prine nicht ausgeschlossen, ist man außerordentlich dankbar. Und als Gegengift zu den schlechten Nachrichten aus nah und fern hält »Puff of Smoke« sogar noch etwas länger vor.

The Wood Brothers: »Puff of Smoke« (Honey Jar-Thirty Tigers/Membran)

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