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Aus: Ausgabe vom 26.08.2025, Seite 11 / Feuilleton
Spring

Nichts wie weg

Die Fahrten des Reiner Haseloff
Von Bernhard Spring
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Reisende soll man nicht aufhalten: Reiner Haseloff

Im vergangenen Jahr sind 12.882 Menschen mehr nach Sachsen-Anhalt gezogen, als von dort abgewandert sind. Zum elften Mal in Folge weist das Land eine positive binnendeutsche Migrationsbilanz auf. Trotzdem interessiert sich die geneigte Öffentlichkeit nicht für die vielen Zuzüge, sondern nur für einen einzigen Wegzug. Für einen angedeuteten.

Landesvater Reiner Haseloff erwägt, bei einem AfD-Sieg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr Sachsen-Anhalt zu verlassen. Dieses Szenario ist gar nicht so irreal, denn CDU und AfD liefern sich seit Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

So eine Ankündigung sagt viel aus über die Stimmung im Land, wo auf kommunaler Ebene die Brandmauer der Demokraten oft nicht höher als eine Bordsteinkante ist. Manche befürchten auch, dass – sollte der größte konservative Antifaschist Haseloff tatsächlich gehen – die CDU eine AfD-Regierung möglicherweise dulden oder sich sogar an ihr beteiligen könnte.

Seltener wird die Frage gestellt, wohin es den Pensionär Haseloff wohl ziehen könnte. Seine Dienstreisen als Ministerpräsident und Bundesratspräsident haben ihn in zahlreiche europäische Länder geführt. Privat konnte er sich für den Jakobsweg in Spanien und gotische Kathedralen in Großbritannien begeistern. Kultur, Geschichte, Landschaft: Finden wir Haseloff vielleicht bald im Pilgerort Lourdes am Fuße der Pyrenäen? Oder in der Südvorstadt von Stockholm?

Vielleicht bleibt er in Deutschland, das er in den vergangenen Jahren immer wieder über verlängerte Wochenenden bereist hat, mal in Richtung Berge, mal ans Meer. Haseloff im Rheinland also, wo zwischen welligen Hügeln malerische Flüsse mäandern?

Zählen politische Aspekte, könnte sich Haseloff in Schleswig-Holstein wohl fühlen: CDU-regiert, die AfD nicht im Parlament vertreten. Hier ist (nicht nur) die konservative Welt noch in Ordnung.

Gut möglich aber, dass Haseloff in einem VW-Bus auf der Autobahn endet. Denn wie soll jemand an nur einem Ort heimisch werden, der es gewohnt ist, jährlich im Schnitt 52.000 Kilometer mit dem Dienstwagen zu schrubben? Vielleicht kommt er ja bei einer seiner Touren auch mal wieder in seiner alten Heimat vorbei. Es soll Leute geben, die sich das wünschen würden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich Hopfmüller aus Stadum (25. August 2025 um 21:52 Uhr)
    Das Sauerland wäre doch ideal für Herrn Haseloff, da könnte er bei seinem Bruder im Bierdeckel im Gepäckraum mitfliegen.

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