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Aus: Ausgabe vom 23.08.2025, Seite 4 / Inland
Strategiepapier der Grünen

Zurück an die Fleischtöpfe

Hessen: Fraktionsspitze der Grünen bereitet mit Strategiepapier offenbar Rolle als Steigbügelhalter der CDU vor. Parteiinternes Ringen um Mandat
Von Kristian Stemmler
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Juniormachtpolitiker des Tages: Mathias Wagner (Wiesbaden, 10.11.2023)

In Hessen haben Bündnis 90/Die Grünen es offenbar sehr eilig, an die Fleischtöpfe der Macht zurückzukehren. So jedenfalls lässt sich ein vertrauliches Strategiepapier von Mathias Wagner, Fraktionschef der Grünen im hessischen Landtag, interpretieren, aus dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Donnerstag abend zitierte. Obwohl die Landtagswahl noch drei Jahre hin ist, legt Wagner sich in dem zehnseitigen Papier schon jetzt darauf fest, dass seine Partei wieder – wie schon von 2013 bis 2023 – Juniorpartner in einer Koalition mit der CDU werden wolle. Seit 2023 regiert die Union in einer Koalition mit der SPD unter dem Ministerpräsidenten Boris Rhein.

Wenn CDU und SPD bei der Wahl im Herbst 2028 erneut eine stabile Mehrheit bekämen, spekuliert Wagner in seiner Analyse laut FAZ, dann spreche erst einmal viel für eine Fortsetzung von »Schwarz-Rot«. Sollte dies aber nicht der Fall sein, sei »Schwarz-Grün« die wahrscheinlichste Konstellation. Der Grünen-Politiker lässt kein gutes Haar an den Sozialdemokraten. Hessen habe »eine CDU-Alleinregierung«, schreibt er, denn die SPD gebe es »eigentlich in der Koalition nicht«. Je konservativer und selbstgefälliger die CDU werde, um so mehr Menschen wollten, dass sie in einer Koalition »ein wirkungsvolles Korrektiv« habe, so Wagner: »Und da haben wir zehn Jahre gezeigt, dass wir das sind.«

Der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori, führende Figur der SPD, werde weiterhin nicht als Gegengewicht zum Regierungschef wahrgenommen, behauptet der Grüne. Die aktuellen Umfragen seien allerdings kein Anlass zur Selbstzufriedenheit für seine Partei. Die Werte der CDU seien mit 36 Prozent sehr hoch, so Wagner. Daher müsse man noch stärker die Themen finden, anhand derer den Menschen deutlich werde, dass der »Babbel-Boris« – er meint Boris Rhein – keine Antworten auf ihre Probleme habe. Seine Partei profitiere aktuell davon, dass die Linke nicht im Landtag vertreten sei. Dies könne sich aber ändern, wenn mit der Frankfurter Bundestagsabgeordneten und langjährigen hessischen Fraktionschefin Janine Wissler eine prominente Politikerin der Linkspartei nach Wiesbaden zurückkehre.

Dass der Grünen-Fraktionschef gerade jetzt die Initiative ergreift, hat offenbar vor allem mit Vorgängen innerhalb der Partei zu tun. Die FAZ mutmaßte, Hintergrund sei das parteiinterne Ringen um die Nachfolge der aus dem Parlament ausgeschiedenen Vizepräsidentin Angela Dorn. Eine Gruppe von Abgeordneten favorisiere den jungen Parlamentarier Felix Martin und wolle es auf eine Machtprobe mit Wagner ankommen lassen. Dieser sei an der Spitze der Fraktion nicht mehr unangefochten. Mit seinem Vorstoß wolle der Fraktionschef demonstrieren, dass er das Heft des Handelns in der Hand habe, und die Frage der Spitzenkandidatur für die Wahl 2028 schon jetzt klären.

In seinem Strategiepapier bringt er sich für dieses Amt selbst ins Spiel. Erstmals seit Jahren werde man mit Spitzenkandidaten an den Start gehen, »die das noch nie waren und auch nicht aus Ministerämtern heraus kandidieren«, schreibt Wagner. Wer dafür in Betracht komme, müsse frühzeitig bekanntgemacht werden. Als »potenzielle Spitzenkandidierende« kämen qua Amt die Spitzen von Partei und Fraktion in Betracht, konstatiert der Fraktionschef, womit er den Hut in den Ring geworfen hat. Potentielle Mitbewerber versucht er, aus der Reserve zu locken: »Wenn aktuell weitere oder andere Personen gesehen werden, sollten wir offen darüber reden«, heißt es dazu. Inhaltliches kommt in dem Strategiepapier im übrigen kaum vor. Auf Anfrage von junge Welt wollte sich die Landtagsfraktion am Freitag nicht dazu äußern.

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