Fell des Bären
Von Max Ongsiek
Die in der BRD von diversen Politikern und Militärs geführte Debatte um eine mögliche Stationierung von Bundeswehr-Soldaten in der Ukraine zur »Friedenssicherung« erinnert an den Ausspruch »Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist«. Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, André Wüstner, hat in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem Deutschlandfunk nicht nur die fehlende Aussicht auf einen möglichen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg, sondern auch mangelnde »Rahmenbedingungen« für die Ermöglichung eines stabilisierenden Einsatzes der Bundeswehr in dem Land kritisiert.
Die Truppe beobachte die Diskussion daher mit »Skepsis«, betonte der Militärlobbyist im Gespräch mit dem Sender. Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der 20 Jahre andauernden NATO-Besatzung in Afghanistan habe gezeigt, dass ein Militäreinsatz ohne »politisch abgestimmte Strategie« nicht zielführend sei. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin jetzt mit »Gespächen über Frieden« locke, während Russland »gnadenlos« weiterbombe, solle lediglich ablenken.
Die Frage, was denn die benötigten »Rahmenbedingungen« seien, beantwortete Wüstner mit Allgemeinplätzen aus der Offizierausbildung: Zunächst einmal müsse man sich »mit der Lage vor Ort auseinandersetzen«: »Wie stark sind die ukrainischen Streitkräfte?«, »Wie können sie selbst in ein Sicherheitskonzept eingebunden werden?« Außerdem sollte klar sein, »was unser Auftrag ist«. Schließlich gehe es nicht nur um die »Ausbildung« der ukrainischen Truppen, sondern um das »robuste Absichern«.
Jene »Sicherheitsgarantie« gehe wiederum nur über »Abschreckung«. Was der Oberst darunter versteht, kann er schneidig definieren: »Auf den Punkt gebracht« hieße das: »Den Willen und die Befähigung zur Vergeltung, wenn jemand nicht an einem Waffenstillstand festhält.« Für einen Waffenstillstand brauche es erstens eine »gestärkte Ukraine« und zweitens internationalen Druck auf Russland.
Eine Stärkung der Ukraine forderte auch der Grünen-Politiker Omid Nouripour am Freitag. Deren »Durchhaltefähigkeit« hänge nicht zuletzt von »unseren« Waffenlieferungen ab. Deshalb müssten »wir« die Ukraine »mit allem, was wir haben, unterstützen – auch mit Marschflugkörpern«, erklärte der ehemalige Parteivorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auf die Nachfrage, ob er sich deutsche Soldaten in der Ukraine vorstellen könne, antwortete Nouripour: »Eines kann ich mir nicht vorstellen: dass sich Deutschland als größtes Land in Europa wegduckt, wenn es um den Schutz der Ukraine und Europas Sicherheit geht.«
Die Linkspartei erteilte diesen Ausführungen am Freitag auf jW-Anfrage eine klare Absage: »Die aktuell wieder aufgemachte Debatte um die Lieferung von Marschflugkörpern« sende »ein falsches Signal«, kritisierte Ulrich Thoden, Sprecher für Verteidigungspolitik der Bundestagsfraktion. »Statt zu eskalieren, sollte es um einen Waffenstillstand und eine Beendigung des Krieges gehen.« Nur »klassische Blauhelmtruppen mit einer internationalen Zusammensetzung und Vereinbarungen mit einer Reihe von Staaten« könnten Sicherheit garantieren. Auch denkbar sei »eine deutsche Beteiligung an einer unbewaffneten Friedensmission der OSZE zur Waffenstillstandskontrolle an der militärischen Kontaktlinie«, so Thoden.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Avalon.red/IMAGO12.05.2025
Festival der Revisionisten
- Federico Gambarini/dpa28.04.2025
Die Zeit der »Experten«
- Moritz Schlenk/IMAGO16.04.2025
Nicht für die Öffentlichkeit
Mehr aus: Inland
-
»Wir schließen den Landesvorstand in Berlin aus«
vom 23.08.2025 -
Zurück an die Fleischtöpfe
vom 23.08.2025 -
Einlass mit Hürde
vom 23.08.2025 -
»Zeitenwende« macht’s möglich
vom 23.08.2025 -
»Es geht darum, wer die Deutungshoheit hat«
vom 23.08.2025