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Aus: Ausgabe vom 23.08.2025, Seite 4 / Inland
NATO-Stellvertreterkrieg

Fell des Bären

Bundeswehr-Verband bemängelt fehlende Rahmenbedingungen für möglichen Einsatz in der Ukraine
Von Max Ongsiek
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Kann den Einsatz deutscher Truppen in der Ukraine kaum erwarten: Wolodimir Selenskij, Präsident in Kiew, auf einem Truppenübungsplatz in Mecklenburg-Vorpommern (11.6.2024)

Die in der BRD von diversen Politikern und Militärs geführte Debatte um eine mögliche Stationierung von Bundeswehr-Soldaten in der Ukraine zur »Friedenssicherung« erinnert an den Ausspruch »Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist«. Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, André Wüstner, hat in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem Deutschlandfunk nicht nur die fehlende Aussicht auf einen möglichen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg, sondern auch mangelnde »Rahmenbedingungen« für die Ermöglichung eines stabilisierenden Einsatzes der Bundeswehr in dem Land kritisiert.

Die Truppe beobachte die Diskussion daher mit »Skepsis«, betonte der Militärlobbyist im Gespräch mit dem Sender. Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der 20 Jahre andauernden NATO-Besatzung in Afghanistan habe gezeigt, dass ein Militäreinsatz ohne »politisch abgestimmte Strategie« nicht zielführend sei. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin jetzt mit »Gespächen über Frieden« locke, während Russland »gnadenlos« weiterbombe, solle lediglich ablenken.

Die Frage, was denn die benötigten »Rahmenbedingungen« seien, beantwortete Wüstner mit Allgemeinplätzen aus der Offizierausbildung: Zunächst einmal müsse man sich »mit der Lage vor Ort auseinandersetzen«: »Wie stark sind die ukrainischen Streitkräfte?«, »Wie können sie selbst in ein Sicherheitskonzept eingebunden werden?« Außerdem sollte klar sein, »was unser Auftrag ist«. Schließlich gehe es nicht nur um die »Ausbildung« der ukrainischen Truppen, sondern um das »robuste Absichern«.

Jene »Sicherheitsgarantie« gehe wiederum nur über »Abschreckung«. Was der Oberst darunter versteht, kann er schneidig definieren: »Auf den Punkt gebracht« hieße das: »Den Willen und die Befähigung zur Vergeltung, wenn jemand nicht an einem Waffenstillstand festhält.« Für einen Waffenstillstand brauche es erstens eine »gestärkte Ukraine« und zweitens internationalen Druck auf Russland.

Eine Stärkung der Ukraine forderte auch der Grünen-Politiker Omid Nouripour am Freitag. Deren »Durchhaltefähigkeit« hänge nicht zuletzt von »unseren« Waffenlieferungen ab. Deshalb müssten »wir« die Ukraine »mit allem, was wir haben, unterstützen – auch mit Marschflugkörpern«, erklärte der ehemalige Parteivorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Auf die Nachfrage, ob er sich deutsche Soldaten in der Ukraine vorstellen könne, antwortete Nouripour: »Eines kann ich mir nicht vorstellen: dass sich Deutschland als größtes Land in Europa wegduckt, wenn es um den Schutz der Ukraine und Europas Sicherheit geht.«

Die Linkspartei erteilte diesen Ausführungen am Freitag auf jW-Anfrage eine klare Absage: »Die aktuell wieder aufgemachte Debatte um die Lieferung von Marschflugkörpern« sende »ein falsches Signal«, kritisierte Ulrich Thoden, Sprecher für Verteidigungspolitik der Bundestagsfraktion. »Statt zu eskalieren, sollte es um einen Waffenstillstand und eine Beendigung des Krieges gehen.« Nur »klassische Blauhelmtruppen mit einer internationalen Zusammensetzung und Vereinbarungen mit einer Reihe von Staaten« könnten Sicherheit garantieren. Auch denkbar sei »eine deutsche Beteiligung an einer unbewaffneten Friedensmission der OSZE zur Waffenstillstandskontrolle an der militärischen Kontaktlinie«, so Thoden.

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