»Wir schließen den Landesvorstand in Berlin aus«
Interview: Max Grigutsch
Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK, will den Vorstand des Berliner Landesverbands ausschließen. Warum?
Wir schließen die Mitglieder des Landesvorstands Berlin-Brandenburg in individuellen Verfahren aus. Die betroffenen Personen sind für Veröffentlichungen des Landesverbands verantwortlich, in denen sie unsere Partnerorganisationen verunglimpfen. Als DFG-VK sind wir in einem Bündnis namens »Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel«, an dem auch Vereine wie Amnesty International oder Medico International beteiligt sind. Das Bündnis hat bisher zwei Demonstrationen abgehalten, mit dem Ziel, die Bundesregierung aufzufordern, mit diplomatischen Mitteln die Kriegssituation in Gaza einzudämmen. Der Berliner Landesvorstand hat sich sehr abwertend über die Mitglieder dieses Bündnisses geäußert und auch über uns. Er hat allen Antisemitismus und Israel-Hass vorgeworfen und eine Gegenkundgebung veranstaltet.
Haben Sie in der Vergangenheit schon mal ein solches Verfahren angestrengt?
Wir haben noch nie jemanden ausgeschlossen. Zu meiner Zeit jedenfalls nicht. Jetzt haben wir dem Landesvorstand angekündigt, dass wir das nicht akzeptieren. Wir sehen das als verbandsschädigend an. Unsere politische Wirksamkeit ist dadurch stark eingeschränkt.
Ist der Angriff der palästinensischen Hamas auf israelische Militärstellungen und zivile Ziele am 7. Oktober 2023 der Ursprung dieses Konflikts?
Nein, die Auseinandersetzung gibt es schon länger. Der Berliner Landesvorstand pflegt eine spezielle Vorstellung von Antisemitismus, die im Gesamtverband größtenteils nicht geteilt wird. Wir haben etwa einen Beschluss des Bundesausschusses, in dem wir unseren Gliederungen empfehlen, der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus zu folgen, nicht der IHRA-Definition. Entsprechend sind die Vorwürfe gegen uns auch schon in anderen Zusammenhängen gekommen. Sie haben generell eine offensive Art, über die Friedensbewegung zu sprechen, die sie als »Friedenserstarrung« bezeichnen. An manchen Stellen stimmt das auch. Aber es ist nicht so, als seien sie im Vollbesitz der Wahrheit.
Wie geht die Berliner Sektion mit diesen Ausschlussverfahren um?
Wir haben ihnen angeboten, Stellungnahmen zu liefern. Bisher ist nichts gekommen (Stand Donnerstag, jW). Sie hatten um eine Verlängerung der Frist gebeten. Am 25. August haben sie außerdem die Möglichkeit, sich in einer mündlichen Anhörung gegenüber dem Bundessprecherkreis zu äußern. Ansonsten haben sie angedroht, zu klagen. Eine Person, die sich gar nicht geäußert hat, haben wir inzwischen schon ausgeschlossen. Ein weiteres Vorstandsmitglied ist ausgetreten, das Verfahren gegen zwei weitere Personen läuft noch.
Ist diese Spaltung emblematisch für die Friedensbewegung?
Das würde ich nicht so sehen. Der Berliner Landesvorstand ist stark antideutsch beeinflusst, ein großer Teil der DFG–VK nicht. Es gibt mehrere Landesverbände, auch Gruppen und Einzelpersonen, die schon früher als wir, der Bundessprecherkreis, den Ausschluss gefordert haben. Auch wegen ihres Umgangs in der Friedensbewegung allgemein. Ich würde das nicht auf die Gesamtbewegung ausdehnen. Das ist schon ein recht spezieller Fall hier. Die Friedensbewegung im Ganzen hat Probleme, denke ich, mit Rechtsoffenheit. Was das betrifft, hat der Berliner Landesvorstand auch positive Seiten. Er ist da sehr wachsam und kreativ in seinen Protestformen. Aber wenn es um die Bündnisfähigkeit geht, schlagen sie uns wirklich sehr ins Kontor.
Nächste Woche sollte das »Rheinmetall entwaffnen«-Camp in Köln stattfinden. Das wurde von der Polizei verboten. Wie bewerten Sie das Verbot?
Ich persönlich halte es für an den Haaren herbeigezogen. Im Verband haben wir dazu keine einheitliche Meinung. Aber im Prinzip ist das eine Sache, der man seine Solidarität erklären muss. Es muss selbstverständlich immer geprüft werden, bei welchen Aktionen man zusammenarbeiten kann. Aber ihr Anliegen – Abrüstung, keine Gewinne durch Rüstung und Krieg, durch Töten und Sterben – das ist ja auch unseres. Die Berliner DFG-VK hat vermutlich eine andere Sicht darauf. Gegen »Rheinmetall entwaffnen« haben sie sich schon öfter positioniert, weil es da eine deutliche Palästina-Solidarität gibt.
Cornelia Mannewitz ist Mitglied des BundessprecherInnenkreises der DFG-VK
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