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Aus: Ausgabe vom 20.08.2025, Seite 2 / Inland
Klassenpolitik in Bayern

»Müssen da ran, wo wirklich die Vermögen sitzen«

Bayern: Ministerpräsident wettert gegen Sozialleistungen wie Bürgergeld. Linke setzt im Wahlkampf auf Umverteilung. Ein Gespräch mit Martin Bauhof
Interview: Fabian Linder
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Deutschlands höchste Cabriodichte? Na klar, in Starnberg bei München

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, CSU, wettert angesichts angeblicher Kürzungszwänge und der wirtschaftlichen Stagnation immer wieder gegen Bürgergeld und Sozialleistungen. Wie passt das zu den Äußerungen, dass es sich in Bayern am besten leben lasse?

In Bayern können vor allem wohlhabende Menschen das gute Leben genießen. Aber wer knapp bei Kasse ist, für den ist es um so härter. Die Mieten in München sind exorbitant und steigen auch auf dem Land und in anderen Städten immer weiter. Und auch sonst ist Bayern schon sehr teuer. Der Anstieg der Einkommensmillionäre zeigt: Ganz offensichtlich geht es der Wirtschaft in Bayern gut, wenn die Oligarchen solche Gewinne erwirtschaften können. Dann nicht bei denen zuzugreifen, sondern unten kürzen zu wollen, ist wirklich unverschämt.

Die Linke Bayern hat sich zuletzt wieder gegen die ungleiche Verteilung der Einkommen ausgesprochen. Was war der Anlass dafür?

Da ging es um eine Mitteilung des Landesamts für Statistik zu Einkommensmillionären. Es ist absurd, wie viele es in Bayern gibt, vor allem wenn man sich anschaut, wo die wohnen. Etwa am Starnberger See und am Tegernsee, also im Speckgürtel von München. Das sind zum größten Teil Leute, die andere für sich arbeiten lassen. In der Statistik werden die dann Unternehmer genannt. Oligarchen wäre viel treffender. Wer sich erlauben kann, sich als Unternehmer jedes Jahr so einen Betrag auszuzahlen, den Normalsterbliche ihr Leben lang kaum verdienen, der steht nicht in Konkurrenz zu anderen Firmen. Der trifft sich im Golfclub und hat die Lokalpolitik längst gekauft. Das muss ein Ende haben.

Wie kommen diese regionalen Unterschiede zustande?

Vielfach sind das neben den bereits genannten Orten auch der Landkreis München oder eben Miesbach. Da leben viele Leute, die dort ganz explizit hinziehen, weil es besonders schön, besonders teuer, besonders exklusiv ist. Die Nähe zur Landeshauptstadt spielt sicherlich auch mit rein, aber in München ist die Dichte der Einkommensmillionäre ähnlich hoch wie in Hamburg. Da sitzen dann große Konzerne, die es sich auch leisten können, ihre Vorstände besonders gut zu bezahlen.

Wie hat sich das Verhältnis zwischen Armen und Reichen zuletzt entwickelt?

Es ist tatsächlich absurd, dass diese Schere so weit auseinandergeht. Wenn man sich das anschaut: Wer im Jahr 2021 – darauf beziehen sich ja die Zahlen des Statistikamtes – Mindestlohn verdient hat, der müsste 150 Jahre arbeiten, um auf das Durchschnittseinkommen von so einem Einkommensmillionär zu kommen. Und das wird ja stetig mehr. Die Dax-Vorstände verdienen in der Zwischenzeit 60mal soviel wie die normalen Angestellten bei denen. Das können wir so nicht weiter zulassen und müssen dagegen vorgehen.

Was schwebt Ihnen vor?

Einer der wichtigsten Schritte ist eine Vermögenssteuer, die richtig zulangt. Das muss nicht bei einer Million anfangen oder bei fünf. Aber wer 100 Millionen besitzt, für den ändert sich das Leben nicht im geringsten, selbst wenn er die Hälfte davon abgeben müsste. Aber keinem von uns geht es besser, wenn es den Ärmsten noch schlechter geht. Und die Hetze muss ein Ende haben. Wir müssen da ran, wo wirklich die Vermögen sitzen. Superreiche Oligarchen können wir uns nicht mehr leisten.

Wie wollen Sie das in Bayern umsetzen? Hier hat Die Linke einen schweren Stand, wenn es etwa um den Einzug in den Landtag geht.

In Vorbereitung der Kommunalwahlen im März 2026 wollen wir dafür sorgen, dass kein Bauausschuss tagt, ohne dass die Mietenfrage zum Thema gemacht wird. Schließlich ist es überall so, dass die Brauereiinhaber, Bauunternehmer, Autozulieferer, die »mittelständischen Unternehmen«, die Gewinne hier vor Ort erzielen, die Leute für sich arbeiten lassen und dann auch lokal immer reicher werden und sich die Politik kaufen.

Dagegen wollen wir im Kommunalwahlkampf und dann in den Kommunalparlamenten angehen. Etwa mit höheren Gewerbesteuersätzen, aber auch – Thema Mieten und Wohnen – mit Regelungen, damit der Boden in öffentlicher Hand bleibt, es keinen Verkauf an Investoren und kein Baurecht für lokale Miethaie gibt. Statt dessen muss der kommunale Wohnungsbau ausgebaut werden. Das Ziel ist, dass das Leben für die Mehrheit leistbar und leichter wird.

Martin Bauhof ist Landessprecher der Partei Die Linke in Bayern

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