Kuscheln mit Nius
Von Max Ongsiek
Die Rede, die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner am Sonntag auf dem Sommerfest der Koblenzer Christdemokraten über »Meinungsvielfalt« und »Medien« gehalten hat, sorgt für eine parteiübergreifende Kontroverse. Linke-Fraktionschefin Heidi Reichinnek legte der CDU-Politikerin, die in ihrem Beitrag das rechte Portal Nius mit der Tageszeitung Taz verglich, daraufhin den Rücktritt nahe: »Wenn ihr das Hofieren von Rechten wichtiger ist, als ihr Amt entsprechend auszufüllen, dann soll sie es doch bitte abgeben«, sagte Reichinnek dem Tagesspiegel (Dienstag).
Klöckner hatte im Rahmen der CDU-Festivität auf dem »Innovationsforum« des Software-Herstellers Compugroup gesprochen. Das Unternehmen gehört mehrheitlich Frank Gotthardt, der nicht nur parteiloser Ehrenvorsitzender des rheinland-pfälzischen CDU-Wirtschaftsrats, sondern auch Finanzier des Nius-Portals des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt ist. Das wiederum soll, so verschiedene Presseberichte, regelmäßig Falschmeldungen verbreiten. Zuletzt war Nius in die Kritik geraten, weil es an der diffamierenden Kampagne gegen die ehemalige SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, beteiligt gewesen sein soll.
Wie die Tagesschau am Montag berichtete, gab sich Klöckner zu Beginn ihrer Rede gegenüber anwesenden Journalisten provokant. Statt »Neutralität« der Bundestagspräsidentin folgte ein an das rechte und linke politische Lager gerichteter Appell an die Meinungsvielfalt: »Gruppierungen« sollten sich nicht mit einer Partei der Mitte bei einem erfolgreichen Unternehmer, Arbeitgeber und Steuerzahler beschäftigen, sondern damit, wie die Demokratie stabilisiert werden könne. Meinungen seien zu respektieren, solange sie der Verfassung entsprächen. Man müsse weg von Gesinnungsschubladen: »Blockbildungen tun unserer Gesellschaft nicht gut«, erklärte Klöckner. Im selben Atemzug stellte sie Nius und die Taz einander gegenüber: Letztere vertrete das sehr linke Spektrum, das Medium von Herrn Gotthardt stehe auf der anderen Seite. Aber in der Methodik seien sich beide »nicht so sehr unähnlich«, sagte Klöckner. »Aber das ist ausdrücklich in unserer Demokratie erlaubt. Deshalb cancele ich weder einen Finanzier der Taz noch cancele ich Frank Gotthardt.«
Die Koblenzer CDU verteidigte ihre Veranstaltung: »Die Wahl des Veranstaltungsortes spiegelt unsere Wertschätzung für die Rolle« der Compugroup »als Arbeitgeber und Impulsgeber für die Region und für die Leistung der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wider«, heißt es in einer Stellungnahme auf Facebook.
Kritik an Klöckners Vergleich kam auch von Bündnis 90/Die Grünen und aus der Koalition. »Bei Nius geht es nicht um journalistisch zulässige Zuspitzungen konservativer Haltungen«, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, dem Tagesspiegel am Dienstag. »Die Gleichsetzung der Taz mit einem Portal wie Nius halte ich für völlig unangemessen«, sagte SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar ebenfalls dem Tagesspiegel. Aus CDU-Kreisen hieß es: »Dass die Nummer zwei im Staate jemanden hofiert, der ein Portal wie Nius finanziert, ist unwürdig. Nius hat mit Journalismus nichts zu tun.« CDU-Medienpolitiker Pascal Reddig hingegen verteidigte Klöckner: »Zu einer vielfältigen Presselandschaft gehören Angebote von links bis rechts.« Wer die Presse- und Meinungsfreiheit ernst nehme, müsse auch einen breiten Korridor an Meinungen und journalistischen Angeboten akzeptieren. Das habe Julia Klöckner zu Recht deutlich gemacht, erklärte er dem Tagesspiegel.
Klöckners Büro teilte dem Blatt mit, sie habe in ihrer Rede lediglich die gesellschaftliche Blockbildung und Polarisierung beschrieben. Den Namen des Mediums Nius habe sie dabei nicht in den Mund genommen.
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