Frieden mit deutschen Truppen
Von Philip Tassev
Droht ein Frieden in der Ukraine? Dem Börsenportal finanzen.de konnte man am Dienstag entnehmen: »Die Anlegerstimmung im Rüstungssektor hat sich über Nacht gedreht.« Und Wallstreet Online titelte: »Friedenshoffnung belastet Rüstungswerte stark«. In der Tat verloren die Aktien des Panzergetriebeherstellers Renk und des Radarbauers Hensoldt am Dienstag über acht Prozent, die der Waffenschmiede Rheinmetall immerhin 5,6 Prozent an Wert.
Rettung für die Couponabschneider naht von einer »Koalition der Willigen«, die sich anschickt, den Krieg in der Ukraine mit diplomatischen Manövern am Laufen zu halten – oder zumindest dafür zu sorgen, dass die großen europäischen Mächte auch dann noch was in dem verheerten Land zu melden haben, wenn dort tatsächlich ein Frieden ausbrechen sollte.
Seit dem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und seiner »sieben Bodyguards« (so recht zutreffend das RND) aus der EU mit US-Präsident Donald Trump am Montag in Washington ist hierzulande auch wieder eine mögliche Beteiligung von deutschen Soldaten an einer in der Ukraine stationierten »Friedenstruppe« im Gespräch. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte zwar direkt nach dem Gipfel im Weißen Haus, es sei noch »zu früh, um darauf eine endgültige Antwort zu geben«. Das hinderte aber im politischen Berlin niemanden daran, trotzdem seine Ansicht zu der Frage zu verbreiten.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), etwa hält die Entsendung von Bundeswehr-Truppen für schon beinahe unausweichlich. »Dass deutsche Soldaten ihren Dienst in der Ukraine leisten müssen, halte ich nicht für ausgeschlossen, sondern für wahrscheinlich«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten vor Ort hält Röwekamp für »denkbar«, wobei sich hier angesichts der zweifellos großen Kampferfahrung der Kiewer Truppe die Frage aufdrängt, wer hier in Wahrheit wen ausbilden soll. Nach seinem Statement musste er aber eingestehen, dass die Debatte »zur Unzeit« geführt wird, denn »wir wissen ja noch gar nicht, ob es zu einem Friedensschluss kommt – und mit welchen Sicherheitsgarantien er verbunden sein wird«.
Auch der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg (ebenfalls CDU), lehnt eine Stationierung von deutschen Truppen in der Ukraine nicht grundsätzlich ab, allerdings sei eine solche »Mission« nur sinnvoll, »wenn es eine entmilitarisierte Pufferzone zwischen den russischen Soldaten und den Friedenstruppen gibt«, wie er gegenüber der Rheinischen Post erklärte. Diese Zone sei wichtig, »um früh russische Aufmärsche erkennen und dann entsprechend gegenwirken zu können«. Da die russische Seite aber vom Zugeständnis einer solchen Zone »weit entfernt« sei, gebe es als Alternative nur: Die westlichen Truppen müssten »der russischen Armee zahlenmäßig überlegen sein«, was allein mit europäischen Streifkräften aber nicht möglich sei. Trotzdem: »Kommt es aber so weit, dass ein Einsatz einer Friedenstruppe unter sinnvollen Bedingungen bevorsteht, sollte Deutschland vorangehen und das größte Kontingent stellen.«
SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich äußerte sich am Dienstag im Deutschlandfunk eher skeptisch zur Entsendung von »nationalstaatlichen Truppen« und plädierte statt dessen für die Einbindung von supranationalen Organisationen wie der UNO und der OSZE.
Nicht locker hingegen lässt EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), in deren ehemaligem Düsseldorfer Wahlkreis der Rheinmetall-Konzern seinen Hauptsitz hat. Den Funke-Zeitungen sagte sie: »Europa muss geschlossen auftreten und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen«, inklusive »anhaltender« militärischer und finanzieller Unterstützung für Kiew. Nur so könne eine Unterwerfung unter Russland verhindert werden. »Wer hier zögert, gefährdet nicht nur die Ukraine, sondern auch Europas Sicherheit.«
Die um die Sicherheit ihrer Rendite besorgten Spekulanten versuchte J.-P.-Morgan-Analyst David Perry derweil zu beruhigen: Unabhängig davon, wie eventuelle Friedensverhandlungen ausgehen, sei damit zu rechnen, dass letztlich »alle Ergebnisse höhere europäische Verteidigungsausgaben nach sich ziehen werden«. Von seiner Bank gibt es denn auch weiterhin eine klare Kaufempfehlung für die Aktien von Rheinmetall und Co.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Jürgen Endreß aus Nürnberg/ Franken (20. August 2025 um 10:31 Uhr)Welch ein heuchlerisches Spiel, die BuWe als »Friedenstruppe« in der Ukraine. Da wird wieder mal dem deutschen Michel Friedenswillen vorgegaukelt, was überhaupt nicht Ziel ist. Denn die bundesdeutschen, kriegslüsternen Politiker wissen ganz genau, dass Herr Putin das ablehnen wird. Er wird keine »Friedenstruppe« einer Kriegspartei, die Waffen haufenweise in die Ukraine schafft, die im eigenen Lande Russenhass und durch Massenmedien Kriegsvorbereitung betreibt, als »Friedenssicherer« begreifen. Es ist halt das altbekannte »Pontius-Pilatus-Spiel«: Seht her, wir wollen Frieden sichern, aber die bösen, bösen Russen wollen das nicht, wollen keinen Frieden. Und noch etwas wollen sie damit tarnen, dass sie in Alaska am Katzentisch saßen, dass noch so viel liebdienerei an Herrn Trump keine Aufwertung deutscher Kriegslust stattgefunden hat. Wie heißt es doch so schön: »Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter.« Jürgen Endreß, Nürnberg, Franken.
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (20. August 2025 um 09:59 Uhr)Für viele Menschen in der Ukraine, in Belarus und in Russland wecken deutsche Soldaten unweigerlich Erinnerungen an den Vernichtungskrieg der Nazis. Moskau könnte dies propagandistisch ausschlachten: »Die Deutschen marschieren wieder gegen Russland.« Eine brandgefährliche und historisch naive Idee!
-
Leserbrief von Ludger Klus aus 19273 Groß Kühren (19. August 2025 um 20:26 Uhr)GG Art. 87a, Abs. 1: Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. – Nicht zur »Verteidigung unserer Freiheit in der Ukraine«. Und gemäß Zwei-plus-Vier-Vertrag hat Deutschland sich verpflichtet, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Und hat sich verpflichtet, seine Waffen nur zur Landesverteidigung und in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen einzusetzen. Dieser Vertrag ist konstitutiv für die neue Einheit Deutschlands und entfaltet Rechtswirkung gegenüber Drittstaaten. Daher: Kriegsdienst: Sagt NEIN! https://www.openpetition.de/!qnmdb GG Art. 4, Abs. 3 jetzt ändern: Niemand darf zum Kriegsdienst gezwungen werden! Gegen neue Zwangsrekrutierung. https://www.openpetition.de/!qnmdb
Ähnliche:
- Oliver Berg/dpa02.07.2025
Bombiges Business
- Joshua Regitz/jW13.01.2025
»Eine Bedrohung für uns alle«
- Michael Kappeler/dpa17.05.2022
100 Milliarden fürs Töten
Mehr aus: Inland
-
»Wir lassen uns nicht vertreiben«
vom 20.08.2025 -
»Müssen da ran, wo wirklich die Vermögen sitzen«
vom 20.08.2025 -
Kuscheln mit Nius
vom 20.08.2025 -
Schlagabtausch in Warteschlange
vom 20.08.2025 -
Zwei Schiffe, eine Brücke – und ein Hafen
vom 20.08.2025