Gegründet 1947 Mittwoch, 20. August 2025, Nr. 192
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 20.08.2025, Seite 4 / Inland
Bundeswehr in die Ukraine?

Frieden mit deutschen Truppen

Debatte um Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine hält an. Rüstungsaktien schwächeln
Von Philip Tassev
4.JPG
Selenskij und Pistorius mit deutschen und ukrainischen Soldaten irgendwo in der BRD (11.6.2024)

Droht ein Frieden in der Ukrai­ne? Dem Börsenportal finanzen.de konnte man am Dienstag entnehmen: »Die Anlegerstimmung im Rüstungssektor hat sich über Nacht gedreht.« Und Wallstreet Online titelte: »Friedenshoffnung belastet Rüstungswerte stark«. In der Tat verloren die Aktien des Panzergetriebeherstellers Renk und des Radarbauers Hensoldt am Dienstag über acht Prozent, die der Waffenschmiede Rheinmetall immerhin 5,6 Prozent an Wert.

Rettung für die Couponabschneider naht von einer »Koalition der Willigen«, die sich anschickt, den Krieg in der Ukraine mit diplomatischen Manövern am Laufen zu halten – oder zumindest dafür zu sorgen, dass die großen europäischen Mächte auch dann noch was in dem verheerten Land zu melden haben, wenn dort tatsächlich ein Frieden ausbrechen sollte.

Seit dem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und seiner »sieben Bodyguards« (so recht zutreffend das RND) aus der EU mit US-Präsident Donald Trump am Montag in Washington ist hierzulande auch wieder eine mögliche Beteiligung von deutschen Soldaten an einer in der Ukrai­ne stationierten »Friedenstruppe« im Gespräch. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte zwar direkt nach dem Gipfel im Weißen Haus, es sei noch »zu früh, um darauf eine endgültige Antwort zu geben«. Das hinderte aber im politischen Berlin niemanden daran, trotzdem seine Ansicht zu der Frage zu verbreiten.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), etwa hält die Entsendung von Bundeswehr-Truppen für schon beinahe unausweichlich. »Dass deutsche Soldaten ihren Dienst in der Ukraine leisten müssen, halte ich nicht für ausgeschlossen, sondern für wahrscheinlich«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten vor Ort hält Röwekamp für »denkbar«, wobei sich hier angesichts der zweifellos großen Kampferfahrung der Kiewer Truppe die Frage aufdrängt, wer hier in Wahrheit wen ausbilden soll. Nach seinem Statement musste er aber eingestehen, dass die Debatte »zur Unzeit« geführt wird, denn »wir wissen ja noch gar nicht, ob es zu einem Friedensschluss kommt – und mit welchen Sicherheitsgarantien er verbunden sein wird«.

Auch der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg (ebenfalls CDU), lehnt eine Stationierung von deutschen Truppen in der Ukraine nicht grundsätzlich ab, allerdings sei eine solche »Mission« nur sinnvoll, »wenn es eine entmilitarisierte Pufferzone zwischen den russischen Soldaten und den Friedenstruppen gibt«, wie er gegenüber der Rheinischen Post erklärte. Diese Zone sei wichtig, »um früh russische Aufmärsche erkennen und dann entsprechend gegenwirken zu können«. Da die russische Seite aber vom Zugeständnis einer solchen Zone »weit entfernt« sei, gebe es als Alternative nur: Die westlichen Truppen müssten »der russischen Armee zahlenmäßig überlegen sein«, was allein mit europäischen Streifkräften aber nicht möglich sei. Trotzdem: »Kommt es aber so weit, dass ein Einsatz einer Friedenstruppe unter sinnvollen Bedingungen bevorsteht, sollte Deutschland vorangehen und das größte Kontingent stellen.«

SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich äußerte sich am Dienstag im Deutschlandfunk eher skeptisch zur Entsendung von »nationalstaatlichen Truppen« und plädierte statt dessen für die Einbindung von supranationalen Organisationen wie der UNO und der OSZE.

Nicht locker hingegen lässt EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), in deren ehemaligem Düsseldorfer Wahlkreis der Rheinmetall-Konzern seinen Hauptsitz hat. Den Funke-Zeitungen sagte sie: »Europa muss geschlossen auftreten und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen«, inklusive »anhaltender« militärischer und finanzieller Unterstützung für Kiew. Nur so könne eine Unterwerfung unter Russland verhindert werden. »Wer hier zögert, gefährdet nicht nur die Ukraine, sondern auch Europas Sicherheit.«

Die um die Sicherheit ihrer Rendite besorgten Spekulanten versuchte J.-P.-Morgan-Analyst David Perry derweil zu beruhigen: Unabhängig davon, wie eventuelle Friedensverhandlungen ausgehen, sei damit zu rechnen, dass letztlich »alle Ergebnisse höhere europäische Verteidigungsausgaben nach sich ziehen werden«. Von seiner Bank gibt es denn auch weiterhin eine klare Kaufempfehlung für die Aktien von Rheinmetall und Co.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Macht jetzt auch in Tarnkappenjets: Rheinmetall-Chef Armin Pappe...
    02.07.2025

    Bombiges Business

    Rheinmetall-Firmenpatriarch und CDU-Ministerpräsident feiern neue Kampfjetfabrik. In der Rüstungsbranche herrscht Goldgräberstimmung
  • Wollen nicht kriegstüchtig sein: Mark Ellmann, Petra Erler, Nick...
    13.01.2025

    »Eine Bedrohung für uns alle«

    »Kriegstüchtig? Nie wieder! Wie stoppen wir die Aufrüstung in Deutschland?« Auszüge aus der Podiumsdiskussion auf der 30. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
  • Endlich Kriegspartei – Freude im Verteidigungsausschuss über Bun...
    17.05.2022

    100 Milliarden fürs Töten

    Dokumentiert. Vor der Beratung des Bundestags über das sogenannte Bundeswehrsondervermögensgesetz

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro