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Aus: Ausgabe vom 14.08.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Brauwirtschaft

Bierstreik geht in die nächste Runde

Tarifverhandlungen bei sächsischen Brauereien werden fortgesetzt. Beschäftigte protestierenl in Leipzig
Von Gudrun Giese
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Da stapeln sich die Kisten: Mehr als 40 Millionen Flaschen konnten wären der Streiks nicht abgefüllt werden

Zum zweiten Mal tritt die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) an diesem Donnerstag mit Vertretern der Bierbrauereien im Tarifgebiet Sachsen-Thüringen zusammen. Wegen der nachlassenden Lust auf Bier sollen Brauereibeschäftigte nach dem Willen der Geschäftsleitungen auf Entgelterhöhungen verzichten. Zumindest jene, die an den sächsischen Standorten der Radeberger- und Carlsberg-Gruppen arbeiten. Seit Mittwoch streiken begleitend viele der insgesamt 770 Beschäftigten an den vier Radeberger-Standorten im Bundesland. Beim letzten Ausstand Ende Juli war erstmals auch ein Teil der Belegschaft von Wernesgrüner, das zur Carlsberg-Gruppe gehört, im Arbeitskampf. »Die Empörung ist groß, vor allem weil die Unternehmensseite bisher kein eigenes Angebot vorgelegt hat«, sagt Thomas Lißner, Geschäftsführer der NGG-Region Dresden-Chemnitz, am Mittwoch gegenüber jW.

Dabei liege den Managern seit zwei Monaten die Forderung der Gewerkschaft nach sieben Prozent mehr Lohn, mindestens aber einem Plus von 300 Euro pro Monat, vor. Während in den Bundesländern im Westen die Tarifverhandlungen längst abgeschlossen sind und die Beschäftigten ohnehin mehr Geld bei geringerer Arbeitszeit erhalten, behaupteten Vertreter von Radeberger, das geforderte Lohnplus sei wirtschaftlich nicht tragbar. Schließlich sei der Bierabsatz in der Bundesrepublik um rund sieben Prozent zurückgegangen. Das dürfte jedoch alle Regionen betreffen und rechtfertigt kaum eine Entgeltdifferenz von über 8.000 Euro jährlich beim Grundgehalt.

An den Standorten in Köstritz, Leipzig, Freiberg, Wernesgrün und Radeberg beteiligen sich an den aktuellen Streiks zwischen 50 und 90 Prozent der Belegschaften, weiß Thomas Lißner gegenüber jW zu berichten. »Besonders aktiv sind die Kollegen in Freiberg. Dort sind bis auf die Beschäftigten mit befristeten Verträgen und die Auszubildenden praktisch alle vor dem Werkstor.« Beschäftigte aller Brauereien sollen an diesem Verhandlungstag vor das Verhandlungslokal in Leipzig ziehen, wo sie auf ein annehmbares Angebot der Unternehmensseite setzen. Schon vor der aktuellen Streikrunde fielen in den insgesamt sechs zum Oetker-Konzern gehörenden Radeberger-Brauereien in Ostdeutschland, zu denen noch je ein Standort in Berlin und einer in Rostock zählen, insgesamt 63 Schichten aus, in denen mehr als 40 Millionen Flaschen Bier nicht abgefüllt werden konnten.

Am 1. August hatte für die Ostberliner Brauerei des Konzerns bereits die fünfte Verhandlungsrunde stattgefunden, die kein Ergebnis brachte. Die Beschäftigten dort erhalten im Vergleich zu ihren Kollegen im Westen 4.000 Euro weniger Grundlohn jährlich, während die Differenz bei den Rostockern sogar über 11.000 Euro ausmache, wie Uwe Ledwig, Verhandlungsführer der NGG Ost, Ende Juli erklärte. Für den Standort Rostock gab es bisher eine ergebnislose Tarifrunde. Radeberger-Manager beriefen sich bei den Entgeltabständen auf »historische Gründe«. »Die bestehende Ost-West-Lohnlücke soll auch nach 35 Jahren deutscher Einheit nicht kleiner werden?« so Ledwig.

Bei der zur Carlsberg-Gruppe gehörenden Wernesgrüner-Brauerei bekommen die Beschäftigten derzeit gut 300 Euro im Monat weniger als Kollegen an anderen Standorten des Konzerns. Damit liegen sie gemeinsam mit den bei der Köstritzer-Brauerei gezahlten Löhnen ganz am Ende. Und das, obwohl die seit 589 Jahren bestehende Wernesgrüner-Brauerei nach Angaben des Carlsberg-Konzerns inzwischen einer der modernsten Bierproduzenten in Ostdeutschland sei. Ende Juli hatte es immerhin für die Beschäftigten der gleichfalls zur Carlsberg-Gruppe gehörenden Brauerei in Lübz (Landkreis Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern) im Schlichtungsverfahren einen Tarifabschluss gegeben. Danach erhalten die Beschäftigten dort in zwei Stufen insgesamt fünf Prozent mehr Entgelt. Die erste Erhöhung wurde ab August fällig, die nächste soll im Juni 2026 folgen. Für die Zeit zwischen dem Ende des alten und dem Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages werden einmalig 150 Euro gezahlt.

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