Streik für gesetzliche Pause
Von Dieter Reinisch
Auf den Busspuren in der walisischen Hauptstadt Cardiff dürfte es sehr ruhig werden: 400.000 Bewohner leben dort, befördert werden diese von einigen hundert Busfahrern, die Mitglieder der Gewerkschaft Unite sind. Und diese werden ab Sonntag morgen die Arbeit niederlegen. Kommt es nicht zu einer Lösung, soll der Streik drei Wochen, also bis zum 7. September, andauern. »Die Mitglieder wollen wirklich nicht streiken und ihre Fahrgäste und Touristen behindern, doch das niedrige Lohnangebot und die schlechten Bedingungen lassen ihnen keine andere Wahl«, erklärte der Unite-Regionalbeauftragte Alan McCarthy in einer Aussendung.
Die über 450 Unite-Mitglieder des öffentlichen Busunternehmens Cardiff City Transport Services LTD, besser bekannt als Cardiff Bus, haben in den Verhandlungen das jüngste Angebot des Unternehmens abgelehnt. Denn es liege weiter unter dem, was in anderen Regionen Großbritanniens bezahlt wird, gab Unite in einer Verlautbarung Anfang August bekannt. Cardiff Bus habe niedrige Löhne lange ignoriert, »und unsere hart arbeitenden Mitglieder haben zu Recht genug von der Situation«, erklärte Unite-Generalsekretärin Sharon Graham.
Doch es hapert nicht nur bei den niedrigen Löhnen: Durch eng getaktete Fahrpläne könnten Beschäftigte oft nicht mehr ihre gesetzlich vorgeschriebene Pausenzeit einhalten, kritisiert die Gewerkschaft. Ruhezeiten zwischen den Fahrten werden oft den Vorschriften widersprechend verkürzt, und viele Fahrer berichten, dass sie während der Schichten keine Zeit hätten, etwas zu essen. Der aus den schlechten Arbeitsbedingungen resultierende Stress und die Erschöpfung schlagen den Fahrern auf die Gesundheit, sie werden vermehrt krank. Doch auch das wird zum Problem: »Ihr Einkommen wird dadurch noch mal um einiges geringer, da unfaire Krankengeldsätze ein zusätzliches Problem für die Beschäftigten bei Cardiff Bus sind«, erklärt Unite.
Ab dem kommenden Jahr sollen in Wales zudem Franchiselizenzen für Busunternehmen vergeben werden. Anfang 2026 dürfte König Charles III. den Gesetzentwurf der Regierung unterzeichnen und dadurch ratifizieren. Trotz der bereits niedrigen Löhne in der Branche befürchten Gewerkschaften dann »eine Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen«.
Ein Sprecher von Cardiff Bus erklärte gegenüber der BBC vergangene Woche, der Gewerkschaft sei ein »substantielles Angebot« unterbreitet worden. Das Busunternehmen sei daher »enttäuscht« über die Streikankündigung, habe es doch »eine Lohnerhöhung von 5,86 Prozent« angeboten. Die Arbeitsbedingungen von Cardiff Bus würden »in Wales als marktführend gelten«, und »wir sind seit über zehn Jahren ein Unternehmen, das einen echten existenzsichernden Lohn zahlt, was unser Engagement für die Zahlung fairer Löhne an unsere Belegschaft unter Beweis stellt«, so der Sprecher.
Die Streiks in Cardiff werden wohl nicht die einzigen bei britischen Busunternehmen bleiben: Über 1.000 Busbeschäftigte des Unternehmens First Wave im Südwesten Englands aus der Gegend von Bristol stimmen derzeit über ein Angebot für eine Lohnerhöhung von gerade einmal einem Pfund Sterling pro Stunde ab. Die Ergebnisse werden für den 21. August erwartet. Auch bei den Busunternehmen Arriva the Shires und Arriva Kent Thameside in England werden die Beschäftigten bis zum 4. September zu einem mageren Angebot von 65 Pence mehr Lohn pro Stunde befragt. Arriva ist ein multinationaler Konzern, dessen Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr auf mehr als zwei Milliarden Pfund Sterling (2,3 Milliarden Euro) gestiegen ist.
Anders die Lage im Nordosten Englands: Der für diese Woche Montag und Dienstag geplante Streik beim Verkehrsunternehmen Stagecoach wurde ausgesetzt. Der Unite-Funktionär Steve Cason erklärte, dass die Gewerkschaft nach einem verbesserten Gehaltsangebot den Arbeitskampf pausiert habe, um eine Abstimmung unter ihren Mitgliedern durchzuführen. Zuvor hatten die Beschäftigten ein Lohnplus von 3,3 Prozent abgelehnt.
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