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Aus: Ausgabe vom 12.08.2025, Seite 4 / Inland
Deutsche Waffen für Israel

Die Staatsräson bleibt

Spahn: Möglichst bald wieder Waffen an Israel liefern. Bas: Dürfen uns nicht mitschuldig machen
Von Philip Tassev
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Merz habe sich dem »antisemitischen Mob« gebeugt, so der Vorwurf der Hardliner (14.6.2025)

Am Montag konnte man der Bild-Zeitung, die für gewöhnlich aus reaktionären Kreisen gut unterrichtet wird, entnehmen: »CSU tüftelt an Exit-Strategie«. Gemeint ist damit die Suche nach einem Ausstieg aus der euphemistisch als »Waffenembargo« verklärten Entscheidung von CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz, vorerst keine Genehmigungen für die Lieferung von bestimmten Rüstungsgütern an den israelischen Staat mehr zu erteilen.

Zwar hatte der Kanzler nach der medienwirksamen Empörung des stramm proisraelischen Lagers am Sonntag versichert, dass es keinen Wechsel in der deutschen Israel-Politik gegeben habe. Aber den Israel-Ultras reicht das nicht. Insbesondere, aber nicht nur in der Schwesterpartei CSU möchte man selbst den teilweisen Lieferstopp möglichst schnell aufgehoben sehen.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) bemühte sich am Montag per Videobotschaft, die Wogen zu glätten: »Wir tun alles dafür, dass das deutsch-israelische Verhältnis intakt bleibt, Deutschland sobald wie möglich die Lieferungen wiederaufnehmen kann und ein neuer Impuls für eine friedliche Entwicklung im Nahen Osten gesetzt wird.« Auch den Verbündeten gab er einen Seitenhieb mit: »Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels ist und bleibt deutsche Staatsräson – das unterscheidet Deutschland von anderen europäischen Staaten wie Frankreich und Großbritannien.« Die beiden Staaten hatten kürzlich erklärt, ein souveränes Palästina anerkennen zu wollen, falls Israel nicht bald seinen Krieg gegen Gaza beende. In seiner Botschaft legte Spahn auch die Gründe dar, die Merz angeblich zu der Entscheidung geführt hätten, »bis auf weiteres die Lieferung von Waffen an Israel auszusetzen, die in Gaza zum Einsatz kommen können«: die humanitäre Situation in dem zerstörten Küstenstreifen und das »Leid der Zivilbevölkerung«, das durch die israelischen Pläne, die Besatzung auszuweiten, noch schlimmer zu werden drohe. Um aber keinen Zweifel an seiner Loyalität zum zionistischen Staat aufkommen zu lassen, betonte er zum Schluss: »Jeder Feind Israels muss wissen: Deutschland steht fest an der Seite Israels.«

Auffällig ist, dass CSU-Chef Markus Söder sich bisher mit öffentlicher Kritik an der Entscheidung von Merz zurückhält, obwohl er sich laut Bild vom Kanzler »komplett übergangen« fühlt. Statt dessen durfte die zweite Garde ran. So etwa Söders Vorgänger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, Horst Seehofer, der noch am Sonntag die Merzsche Ankündigung als »Fehlentscheidung«, die noch lange fortwirken werde, bezeichnet hatte. Am Montag legte Stephan Mayer, der für die CSU im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt, nach. Im Interview mit dem Deutschlandfunk behauptete er, die Hamas trage die hauptsächliche Verantwortung für den aktuellen Konflikt – ganz so, als seien die palästinensischen Widerstandsorganisationen am 7. Oktober 2023 nur aus Freude an der Gewalt aus dem Freiluftgefängnis von Gaza ausgebrochen. Durch den Teilstopp der Rüstungslieferungen werde keine israelische Geisel mehr befreit werden, müsse kein Kind im Gazastreifen weniger hungern, so Mayer, der offenbar der Ansicht ist, dann könne man ruhig weitermachen mit der bisherigen Unterstützung von Israels Krieg.

Dass sich die Bundesregierung dadurch zum Komplizen eines Völkermordes machen könnte, dämmert aber inzwischen selbst einigen ihrer Mitglieder. So wies Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzende Bärbel Bas am Sonntag gegenüber der ARD zwar Zweifel daran zurück, ob die BRD noch hinter Israel stehe und betonte, das »von außen« angegriffene Land werde weiterhin »die Unterstützung und die Hilfe« bekommen. Sie musste aber eingestehen: »Am Ende müssen wir auch als Bundesregierung, wenn es zu Gerichtsverfahren später kommt, eben auch sicher sein, dass wir uns nicht mitschuldig machen«. Die Regierung von Nicaragua hatte im April 2024 gegen die Bundesrepublik beim Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Völkerrecht eingereicht. Alle Versuche von deutscher Seite, den Fall von der Liste des IGH zu streichen, wurden bisher vom Gericht abgewehrt.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (11. August 2025 um 21:00 Uhr)
    Ein Euphemismus: »Dass sich die Bundesregierung dadurch zum Komplizen eines Völkermordes machen könnte, dämmert aber inzwischen selbst einigen ihrer Mitglieder.« Denn Deutschland ist nicht Komplize, sondern aktiver Teilnehmer des Genozids in Palästina.

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