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Aus: Ausgabe vom 12.08.2025, Seite 8 / Ansichten

Merz und seine Fronde

Spannungen in der Koalition
Von Arnold Schölzel
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Mit Fraktionschef Spahn steht Kanzler Merz eine sichere Nullnummer zur Seite (Berlin, 9.7.2025)

Es hat keinen »Merz-Infarkt« (Bild) gegeben. Der Kanzler ist beim Thema Waffen für Israel nicht umgefallen, wie das Springer-Blatt weismachen will, hat allerdings seine Entscheidung, nichts für den Gazakrieg zu liefern, offensichtlich an den Koalitionspartnern und der CDU/CSU-Fraktion vorbei getroffen. Er beteuert das Gegenteil und muss sich nun zum Beispiel aus der CSU verhöhnen lassen. Deren Außenpolitiker Stephan Mayer nannte den Entschluss am Montag falsch und »eine sehr stark von Emotionen getriebene Symbolpolitik«. Das ist bösartig und spricht dem Kanzler die Amtsfähigkeit ab.

Das hat Methode. Der CSU-Mann ist Repräsentant einer Anti-Merz-Fronde, das heißt einer noch nicht organisierten, aber mittlerweile mächtigen Opposition innerhalb von CDU und CSU. Die machte sich schon vor Bildung der Koalition mit der SPD bemerkbar, als Merz wie im Alleingang die heilige Kuh »Schuldenbremse« schlachtete. Vermutlich die Partei-»Freunde« verabreichten ihm schon bei der Kanzlerwahl einen Denkzettel und ließen ihn im ersten Wahlgang durchfallen – eine Premiere. Vier Tage später reiste der Neue nach Kiew und stellte von dort aus zusammen mit »den Europäern« dem moskowitischen Zentralunhold ein Ultimatum. Das interessierte den nicht, und Merz ließ es kommentarlos verstreichen. Nach Ankündigung des Trump-Putin-Treffens reichte es jetzt noch zu einem flehentlichen Appell an die Alaskareisenden. Nach seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus Anfang Juni hatte Merz bekundet, dort sei ein Fundament gelegt worden »für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche«. So kann man auf der eigenen Schleimspur ausrutschen.

Wer sowenig Peilung hat, muss sich über Gegenwind nicht wundern. Die Fronde ist aber für Merz gefährlicher als die SPD, die von Umfragetief zu Umfragetief taumelt und vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen panisch wird: Sie ist aus Prinzip handzahm, nun droht aber zusätzlich die nächste Wahlklatsche. Also tun die Sozialdemokraten so, als könne CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn seinen Laden zusammenhalten, obwohl er sich bei der Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht als exakt die Lusche erwies, die er politisch schon immer war. Wer einen wie ihn zu seinem Statthalter im Parlament macht, ist mindestens so unfähig wie Spahn selbst.

Alles zusammen deutet auf permanente Koalitionskrise, was die reaktionären Absichten aber nur befeuern wird. Die Rechnung »Wachstum durch Rüstung« (Handelsblatt zwei Tage vor der Bundestagswahl) wird nicht aufgehen. Das Rausquetschen einiger Milliarden Euro aus dem Bürgergeldetat bringt nichts, ist allerdings auch nur Präludium zum Generalangriff auf staatliche Sozialleistungen. Die Fronde ist aufs engste mit der AfD verbandelt. Sie wird nicht lockerlassen, jede weitere Merz-Schwäche möbelt sie auf. Nicht nur Springer-Medien lauern.

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