»Das könnte das Tor für andere Verbote öffnen«
Interview: Gitta Düperthal
Vom 26. bis 31. August ist das antimilitaristische Camp von »Rheinmetall entwaffnen« in Köln geplant. Aktuell aber versuche die Polizei, den Protest zu kriminalisieren, und konstruiere »ein absurdes Bedrohungsszenario«, wie Sie am vergangenen Mittwoch mitteilten. Was ist der Vorwurf?
Die Kölner Polizei behauptet, dass im Camp und bei der antimilitaristischen Parade, die am 30. August stattfinden soll, mit unfriedlichem Verhalten der Teilnehmenden zu rechnen sei. Sie begründet das mit unserem Aufruf zur bundesweiten Aktionswoche, die im gleichen Zeitraum geplant ist, aber gar nicht unfriedlich ist. Argumentiert wird auch mit vergangenen Aktionen. So sei zum Beispiel in Kiel Pyrotechnik abgebrannt oder bei einer Kundgebung vor dem Rüstungskonzern Hensoldt vermeintlich PKK-Symbolik gezeigt worden. Es waren Fahnen der Frauen- und Volksverteidigungseinheiten YPJ/YPG. Dazu gab es keine gerichtliche Verurteilung. Es geht also nicht um den Aufruf für das Camp, das ja mit politischen und kulturellen Veranstaltungen zum Austausch und zur Vernetzung konzipiert ist. Diesem Vorhaben Unfriedlichkeit zu unterstellen ist völlig absurd.
Auf welchem Stand ist die Auseinandersetzung um das polizeiliche Verbot aktuell?
Davon gehört hatten wir erstmals Ende Juli bei einem Kooperationsgespräch mit der Polizei. Am 29. Juli teilte diese uns schriftlich auf sieben Seiten ihre Argumente mit. Auf einen offiziellen Verbotsbescheid, gegen den wir vor Gericht Beschwerde einlegen können, warten wir noch. Wir befürchten, dass die Polizei diesen bewusst verzögert, damit wir nicht frühzeitig Rechtsmittel einlegen können. Wir und unser Anwalt sind uns sicher, dass das Verbot einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird.
Möglicherweise ist der Angriff auf die Versammlungsfreiheit nicht nur konkret gegen das Kölner Camp gerichtet, sondern gegen Protestcamps allgemein.
In Frankfurt kann vom 14. bis 26. August das »System Change«-Camp stattfinden – ohne dass es meiner Kenntnis nach Schwierigkeiten mit polizeilichen Verboten gibt. Also richtet sich der Vorstoß der Behörde gegen das Kölner Camp. Dass aber so etwas überhaupt geschieht, werten wir als Ausdruck der Militarisierung, des Rechtsrucks und einer damit verbundenen Unterdrückung kritischer Stimmen. Würde das Verbot durchkommen, nur weil wir uns kritisch mit politischen Inhalten auseinandersetzen, wäre es ein Präzedenzfall. Ein Camp zu verbieten, nur weil man mutmaßt, als »linksextrem« bezeichnete Gruppierungen könnten teilnehmen, oder weil zugleich anderswo Aktionen zivilen Ungehorsams stattfinden, die auch nicht per se verboten sind: Das könnte das Tor für andere Verbote öffnen. Behörden könnten sich im Fall von Palästina-Veranstaltungen oder antifaschistischen Camps darauf berufen.
Verunsichert das Verbot bei der Mobilisierung und Vorbereitung?
Nein. Es bestärkt uns eher darin, wie wichtig es ist, dass wir jetzt aktiv werden. Offenbar haben wir damit einen Nerv getroffen. Auch internationale Aktivistinnen und Aktivisten, die teilnehmen wollen, wird das vermutlich kaum beeindrucken. Allerdings könnte durchaus versucht werden, sie an der Anreise zu hindern, wie es etwa bei einer unserer Veranstaltungen in Kassel mit der Gruppe »Palestine Action«, die inzwischen in Großbritannien verboten wurde, geschehen ist.
Was ist Ihnen wichtig beim Camp?
Wir müssen der voranschreitenden Militarisierung entgegenwirken: dieser neuen Härte; der aggressiv auftretenden Rüstungsindustrie, die immer mehr Profite einstreicht; der Vorbereitung zur »Kriegstüchtigkeit« und der Debatte, die Wehrpflicht einzuführen. Unsere Camps sind größer geworden. »Rheinmetall entwaffnen« ist der Ort, an dem wir uns organisieren und verschiedene Bewegungen zusammenkommen können. Wir würden uns freuen, wenn die traditionelle Friedensbewegung unseren Aufruf zur Parade unterstützt. Wir hoffen, dass auch Leute mitmachen, die mit uns noch Berührungsängste haben. Die internationalen Gäste kommen, um ihre eigenen Kämpfe zu erläutern und unsere in der BRD kennenzulernen. Uns geht es um Internationalismus.
Luca Hirsch ist Sprecher von »Rheinmetall entwaffnen«
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