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Aus: Ausgabe vom 09.08.2025, Seite 2 / Inland
Kriegsgefahr an der Ostsee

»Eckernförde wäre bevorzugtes Angriffsziel«

Schleswig-Holstein: »Tag der Marine« ausgerechnet am 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Ein Gespräch mit Matthias Behring
Interview: Kristian Stemmler
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Der Bomber sieht keine Menschen, sondern nur sein Ziel. Aufnahme zum Abwurf der Atombombe auf Nagasaki durch die US-Luftwaffe (9.8.1945)

Am Mittwoch haben Sie zum 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs über Hiroshima eine Gedenkveranstaltung in Eckernförde organisiert. Wie lief es?

Der Runde Tisch hat am Stadthafen gemeinsam mit der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen einen Stand organisiert. Dort haben wir der Opfer gedacht, und zwar jeweils 16 Minuten nach der vollen Stunde. Die Atombombe ist damals von US-Kampfpiloten um 8.15 Uhr Ortszeit über Hiroshima abgeworfen worden und um 8.16 Uhr explodiert, wobei in einer Sekunde 80.000 Menschen gestorben sind. Anschließend haben wir an dem Stand für den Frieden demonstriert, auch Friedenslieder gesungen und über die Aufrüstung hierzulande sowie über die Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerung informiert. Der Stand war gut besucht.

Mit Ihrer Veranstaltung haben Sie auch gegen den »Tag der Marine« protestiert, der gleichentags im Stadthafen stattfand.

Ja, wir haben dagegen protestiert, dass die Marine diese Veranstaltung ausgerechnet an diesem Jahrestag abhält. Das ist geschichtsvergessen und aus unserer Sicht ein provokativer Akt. Mit unserem Stand wollten wir ein Zeichen setzen. Die Frage ist doch, in welcher Tradition wir diesen Tag begehen: als eine Mahnung zum Frieden und zur Abrüstung – oder im Sinne der Aufforderung von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, »kriegstüchtig« zu werden.

Was für eine Veranstaltung ist der »Tag der Marine«?

Das ist im Grunde eine große Werbeveranstaltung der Bundeswehr. Im Stadthafen präsentierten sich auch in diesem Jahr die im Marinestützpunkt Eckernförde beheimateten Verbände. Es gab Vorführungen, die Besucher konnten sich über die »Karrierechancen« beim Militär informieren. Dann gab es eine »Blaulichtmeile«, an der sich unter anderem Polizei, THW, Zoll und Feuerwehr beteiligten. Für Kinder wurde eine Kletteraktion vom Seebataillon angeboten. Die Bundeswehr gab sich also mal wieder familienfreundlich.

Tatsächlich spielt Eckernförde eine bedeutende Rolle bei der Aufrüstung des Landes.

Was viele nicht wissen: Eckernförde wird seit Jahren konsequent zum zweitgrößten Marinestützpunkt der Republik nach Wilhelmshaven ausgebaut. Wir haben hier etwa das Seebataillon, das bereitsteht, weltweit militärisch einzugreifen, um Transportwege und Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft zu sichern. Wir haben Flottendienstboote, die Militärspionage betreiben, das 1. Ubootgeschwader mit Hightech-U-Booten, das Kommando Spezialkräfte Marine und viele weitere Dienststellen.

Was bedeutet das für die Einwohner der Stadt?

Diese Aufrüstung birgt große Gefahren. In einem Konfliktfall wäre Eckernförde mit seinen vielen Marineverbänden sicher ein bevorzugtes Ziel. Mehr Waffen schaffen eben weder Frieden noch Sicherheit. Der 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs über Hiroshima ist da eine deutliche Mahnung. Das Thema ist hochaktuell, gerade in diesen Tagen, in denen eine nukleare Konfrontation denkbar erscheint – wenn man etwa daran denkt, dass die USA kürzlich Atom-U-Boote in Richtung Russland entsandt haben. Das bewegt die Menschen, wie wir auch bei den Gesprächen an unserem Stand gemerkt haben.

Was setzen Sie der Militarisierung entgegen?

Wir sagen: Die Opfer der Kriege mahnen uns eindringlich, dass wir uns für den Frieden einsetzen. Die Hochrüstung verschlingt so viele Ressourcen. Jeder Krieg ist einer zu viel. Davon profitieren nur die Rüstungskonzerne. Wir kritisieren auch die Hetze gegen Russland, denn damit werden nur Feindbilder erzeugt, die man braucht, wenn man Krieg führen will.

Statt die geistigen und materiellen Ressourcen für die Kriegsvorbereitung und für die Hochrüstung auszugeben, müssen sie in eine lebenswerte Zukunft investiert werden. Es gilt, Lösungen zu finden, etwa für ein funktionierendes Gesundheitssystem für alle, für ausreichend bezahlbaren Wohnraum, für Bildung, für einen effektiven Klimaschutz. Das gilt auch für Eckernförde. Geld aus dem »Sondervermögen« könnte hier zum Beispiel für die Beseitigung der Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg, die noch in der Ostsee liegen, investiert werden.

Matthias Behring ist Landesvorsitzender der VVN-BdA in Schleswig-Holstein und aktiv beim »Runden Tisch gegen rechts« in Eckernförde

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (11. August 2025 um 15:22 Uhr)
    An der realen Kriegsgefahr sollte aus aller Erfahrung heraus kein Zweifel bestehen. Ebensowenig sollte Zweifel daran bestehen, wer seit Jahren, und insbesondere seit Russland dem Tun in der Ukraine die Grenzen setzte, nichts unterlässt, was uns dem Krieg Stück für Stück näherbringt.
    Wie wir auch zu der militärischen Antwort Russlands stehen, der Wille des Westens, der NATO, USA und maßgeblich Deutschlands zur Eskalation des Konfliktes, der Provokation Russlands und dem unbedingten Spiel mit dem großen Krieg kann kein objektiver Beobachter des Geschehens um das Vorrücken an die russische Grenze leugnen. Bewusst und zielgerichtet wird nahezu täglich die Kriegsgefahr erhöht, Russland zu einer adäquaten militärischen Antwort gezwungen und veranlasst.
    Dieses wird dann als russisches aggressives Verhalten lautstark in die Welt geschrien. Die Szenarien gleichen sich seit der Imperialismus seine Weltherrschaftsziele mit allen Mitteln verfolgt.
    Die Tragik an der Sache scheint einmal mehr die Tatsache, ein Großteil der deutschen Bevölkerung ist sich der Gefahr für das eigene Leben, für die Existenz Deutschlands in keiner Weise bewusst. Oder ist es einfach Gleichgültigkeit, die beliebte Haltung, ja doch nichts tun zu können usw.?
    Es gehört nicht viel Verstand dazu sich auszurechnen, welche Ziele Deutschland bietet, wenn es weiterhin Bedrohungen für und gegen Russland aufbaut. Wenig Verstandes in imperialistischer Kriegslogik bedarf es, zu erkennen, welche imperialen Kräfte ein Deutschland nicht ungern als erstes Ziel russischer Reaktionen sehen.

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