Rechte Hegemonie
Von Reinhard Lauterbach, Poznań
Nach der Vereidigung von Karol Nawrocki als neuem Staatspräsidenten stimmten die Vertreter der rechten Parteien Polens noch im Plenarsaal des Sejm patriotische Gesänge an. Das kann man nachvollziehen. Sie haben erreicht, was sie wollten: die Möglichkeit, die Tusk-Koalition auf Schritt und Tritt auszubremsen und ihr alle Reformen unmöglich zu machen, mit deren Hilfe die jetzt Regierenden vielleicht noch aus dem Umfragetief herauskommen könnten. Die rechte Hegemonie im politischen Raum ist konsolidiert, und man merkt das jetzt schon am Regierungshandeln. Für die Umsetzung des Wahlversprechens, Menschen mit Behinderungen das Recht auf einen persönlichen Assistenten auf Kosten der Sozialversicherung zu gewähren, sei bis auf weiteres kein Geld da, so Donald Tusk kürzlich bei einem Treffen mit Betroffenen. Dafür, fünf Prozent des Sozialprodukts in die Aufrüstung zu stecken, aber schon. Unwirtschaftliche Prestigeprojekte wie der neue Zentralflughafen CPK und ökologisch zweifelhafte Investitionen wie ein Containerhafen vor der Ostseeküste bei Świnoujście werden im Namen der »Entwicklung« ohne Rücksicht auf Verluste vorangetrieben, der Direktor des Pilecki-Instituts in Berlin, Krzysztof Ruchniewicz, wurde gefeuert, weil er plante, eine Konferenz über die mögliche Rückgabe von bei Kriegsende in Polen verbliebenen deutschen Kulturgütern auszurichten. Ob es von dem Professor klug war, das Thema gerade jetzt öffentlich anzusprechen, ist eine andere Frage – aber im »Patriotismus« will sich die Tusk-Regierung von niemandem übertreffen lassen.
Unter Karol Nawrocki wird die Bundesrepublik im Osten einen unbequemen bis nervigen Nachbarn haben. Man kann sicher sein, dass er das leidige Thema deutscher Reparationen wieder hochkochen wird, um das es unter der Tusk-Regierung still geworden war. Nawrocki wird sich außenpolitisch an den USA von Donald Trump orientieren. Deren Kandidat für den Posten des Botschafters in Warschau hat bei seiner Anhörung im Senat schon gesagt, eigentlich könnten die USA Polen als 52. Bundesstaat aufnehmen, so problemlos seien die Beziehungen. Andersherum: Wenn die EU noch irgendeine Gegenwehr gegen die Zollkriege der USA auf die Beine stellen will, muss sie das um Polen herum tun, denn dessen Zustimmung dazu wird es unter Nawrocki und der ab 2027 zu erwartenden Rückkehr der PiS an die Regierung nicht geben. Mit seiner Ankündigung, auf Verfassungsänderungen hinzuarbeiten, will Nawrocki offenkundig den Umbau der Institutionen, den die PiS in ihren zwei Legislaturperioden am Rande des geltenden Rechts vorangetrieben hat, auch formal legalisieren. Gesellschaftspolitisch wird sich Polen vermutlich zurück in Richtung Patriarchat und Hurrapatriotismus bewegen. Aber es hilft nichts: 50,7 Prozent der polnischen Wähler haben es so gewollt. Die anderen 49,3 Prozent haben die Sache verschlafen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (7. August 2025 um 16:05 Uhr)Eine einzige Frage: Wie viele Vorlagen von wie vielen hat Präsident Duda nicht unterschrieben? – Leider, geschätzter Herr Lauterbach, fehlt hier, was Sie eindeutig mehrmals dargestellt/beschrieben haben: diese selbstverlogene Pracht des Donald Tusk. Denn, was Sie ja andeuten, fünf Prozent der Staatseinnahmen Polens für unsinnige Aufrüstung zu verschleudern, wenn die Mehrheit der Polnischen dieses Verschleudern für Verschleudern ansieht, macht diesen zweifelhaften Tusk zum entscheidenden PISer der kommenden Wahlen in Polska. – Aber welche Predigten sind von all den Kanzeln zu hören? Auf Ihre Antwort bin ich sehr gespannt, Herr Lauterbach! Danke!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (6. August 2025 um 19:50 Uhr)Vorab: Warten wir mal, ob nach 2027 außer einem nuklearer Winter noch etwas zu erwarten ist. Der eigentliche Name von Karol ist doch Woityla, oder täusche ich mich?
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