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Aus: Ausgabe vom 06.08.2025, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Geoengineering

Von Marc Püschel
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Fragwürdiger Hoffnungsträger: Anlage des isländischen Startups Carbfix zur Speicherung von Kohlendioxid

In einem sehr allgemeinen Sinne betreibt der Homo sapiens seit Anbeginn seiner Zeit Geoengineering. Bereits mit den simpelsten Techniken, vor allem Feuer, griff er gezielt in die Kreisläufe seiner Umwelt ein, etwa um Wälder zu roden und dadurch Lebensraum zu gewinnen. Die Rückwirkungen – etwa Überschwemmungen oder Wüstenbildung – waren oft genug fatal. Mittlerweile sind die Folgen des Schaffens und dabei immer zugleich Zerstörens von Lebensraum so gewaltig, dass über Eingriffe ganz anderer Größenordnung und technischer Qualität nachgedacht wird.

Im engeren Sinn bedeutet Geoengineering bzw. Climate Engineering daher gezielte Eingriffe in die (bio-)geochemischen Kreisläufe unseres Planeten vor dem Hintergrund des sich beschleunigenden Klimawandels. Grob lassen sich zwei verschiedene Ansätze unterscheiden. Zum einen das Carbon Dioxide Removal (CDR), also Versuche, das Treibhausgas Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre zu entnehmen. Der andere Ansatz ist die Solar Radiation Modification (SRM), bei der versucht wird, das Ausmaß der Sonneneinstrahlung und damit direkt die Temperaturen auf der Erde zu regulieren. Besonders seitdem der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen 2006 vorgeschlagen hatte, dies mittels der Injektion von Schwefel in die Stratosphäre zu bewerkstelligen, liebäugeln viele Staaten mit SRM. So hat beispielsweise jüngst, im Mai 2025, die britische Regierung erklärt, rund 67 Millionen Euro für entsprechende Forschungen bereitzustellen.

Das Interesse vieler Staaten und Konzerne daran ist leicht erklärt: Geoengineering-Maßnahmen versprechen schnelle, technokratische Lösungen und lenken damit von den Ursachen des Klimawandels ab. Die durch den Kapitalismus vorangetriebene Ausbeutung unserer natürlichen Grundlagen könne bestehen bleiben, so die Hoffnung. Das ist natürlich ein Irrglaube, da viele CDR- und SRM-Methoden mehr Probleme verursachen als beheben. So verbraucht etwa das Abscheiden von Kohlendioxid aus der Luft und seine Speicherung in fester Form enorm viel Energie und ist – wie etwa Anlagen der Firma Climeworks in Island zeigen – nicht wirklich effektiv. Schwefel in die Stratosphäre zu bringen wiederum hat zwar eine kühlende Wirkung, weil die Partikel Sonnenlicht reflektieren (der Effekt zeigt sich auch nach Vulkanausbrüchen), doch sind die Bewegungen der Aerosole unvorhersehbar. Wenn der Schwefel durch Regen wieder auf die Oberfläche gelangt, sind die Auswirkungen auf Biosysteme verheerend.

So zieht weiterhin jeder menschliche Versuch der Regulierung weitere Konsequenzen nach sich. Um Geoengineering im globalen Maßstab betreiben zu können, müssten Big Data und KI-Methoden zur Verarbeitung großer Datenmengen gefördert werden. Nicht nur frisst dies wieder außerordentlich viel Strom, zur effektiven Koordinierung wäre eigentlich eine Weltregierung nötig. In der multipolaren Weltordnung dagegen droht Geoengineering zu einem Kampffeld zu werden. So setzt etwa China in Tibet und Xinjiang Drohnen und Flugzeuge ein, die Silberjodid in die Wolken sprühen, um den Niederschlag in den trockenen Regionen zu erhöhen. Doch Anrainerstaaten sind zu Recht skeptisch: Was in China vom Himmel fällt, könnte andernorts fehlen.

Ganz abtun kann man Geoengineering mit diesen Einwänden jedoch nicht, schließlich gibt es auch schadlose Arten von CDR und SRM. So senkt etwa das großflächige Bestreichen von Hausdächern mit weißer Farbe effektiv die Temperatur in Städten, und zur Verringerung der Sonneneinstrahlung sind auch große Spiegel im Weltall denkbar. Und die Entnahme von Kohlendioxid aus der Luft kann auch natürlich erfolgen, schließlich tun Pflanzen nichts anderes. Riesige Aufforstungsprogramme, wie sie etwa China mit der »Großen grünen Mauer« im Norden der Volksrepublik verfolgt, sind neben der Reduktion der Treibhausgasemissionen das beste Mittel, um den Klimawandel in Grenzen zu halten.

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