»Handala« gestürmt
Von David Siegmund-Schultze
Um 23.43 Uhr in der Nacht zu Sonntag haben israelische Soldaten das Schiff »Handala« gestürmt und seine 21 Crewmitglieder »verschleppt«, wie aus einer Stellungnahme der palästinasolidarischen Organisation »Freedom Flotilla Coalition« (FFC) hervorgeht. Zu dem Zeitpunkt habe sich das Schiff, das humanitäre Hilfe wie Säuglingsnahrung, medizinische Produkte und Lebensmittel nach Gaza bringen wollte, 73 Kilometer vom Küstenstreifen entfernt in internationalen Gewässern befunden. Das Vorgehen sei ein »Verstoß gegen internationales Seerecht«, so die FFC. Anwälten der israelischen Menschenrechtsorganisation »Adalah« sei untersagt worden, mit den gefangengenommenen Aktivisten zu sprechen, wie die NGO gegenüber AFP sagte. Israels Außenministerium teilte in einem Post auf X mit, die Armee habe das Schiff daran gehindert, »illegal in die Seezone vor der Küste Gazas zu gelangen«. »Unbefugte Versuche, die Blockade zu durchbrechen, sind gefährlich, rechtswidrig und untergraben die laufenden humanitären Bemühungen«, hieß es weiter.
Die Aktivisten der »Handala« wollen auf Israels Hungerkrieg in Gaza aufmerksam machen. In den vergangenen 24 Stunden starben erneut sechs Palästinenser an akuter Mangelernährung, wie die Gesundheitsbehörde im abgeriegelten Küstenstreifen am Sonntag mitteilte. Damit seien seit Kriegsbeginn 133 Menschen an Hunger gestorben, darunter 87 Kinder. Mindestens 53 Menschen wurden gleichentags durch Angriffe der Armee getötet, wie Al-Dschasira unter Berufung auf Ärzte vor Ort berichtete. Demnach wurden 32 von ihnen bei dem Versuch getötet, an Nahrungsmittel zu gelangen.
Laut den jüngsten Zahlen des UN-Welternährungsprogramms (WFP) vom Freitag leiden etwa 470.000 Menschen im Gazastreifen unter hungersnotähnlichen Bedingungen. 90.000 Kinder und Frauen benötigen demnach dringend medizinische Versorgung. Das israelische Militär behauptete derweil in einer Stellungnahme am Sonnabend, dass es »kein Verhungern in Gaza« gebe. Derlei Behauptungen seien »falsch und fabriziert«. Dennoch kündigte die Armee darin an, wieder Pakete mit Hilfsgütern mit Flugzeugen über dem Gebiet abzuwerfen. Zudem werde man »humanitäre Korridore« für Lkw-Lieferungen der UNO schaffen und ab Sonntag täglich von zehn bis 20 Uhr Feuerpausen in den Gebieten Gaza-Stadt, Deir Al-Balah und Mawasi einhalten.
»Luftabwürfe werden die sich verschärfende Hungersnot nicht aufhalten«, sagte Philippe Lazzarini, Leiter des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWA), am Sonnabend. Es handele sich um eine »groteske Ablenkung«. Auch die angekündigten täglichen »taktischen Pausen« wurden anscheinend bereits gebrochen. In Gaza-Stadt seien bei einem Luftangriff nach zehn Uhr laut Al-Dschasira eine Mutter und vier ihrer Kinder getötet worden.
In Stellungnahmen von Gazas Gesundheitsbehörde und dem WFP am Sonntag heißt es nichtsdestotrotz, dass die angekündigten Maßnahmen Leben retten könnten, auch wenn sie nicht ausreichten. Nur eine Waffenruhe könne die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Doch die Gespräche über eine 60tägige Feuerpause torpedierte die israelische Regierung jüngst. Augenscheinlich handelt es sich bei den Aktionen in erster Linie um den Versuch Tel Avivs, seine internationale Akzeptanz nicht vollends zu verlieren – und Staaten wie der BRD einen Vorwand für ihre anhaltende Unterstützung des genozidalen Kriegs in Gaza zu geben.
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