Barbarische Heimatfront
Von Arnold Schölzel
Die neuzeitliche Verwertung menschlicher Arbeitskraft tendiert stets zu Exzessen, die der Verwertung zuwiderlaufen. Kein »fortschrittlicher« Kapitalismus ohne bewusste Vernichtung »unnützer« Esser, keiner ohne Sklaven- und Zwangsarbeit, keiner ohne ideologische Rechtfertigung von Raubkrieg und Massenmord. Gebändigt werden kann die herrschende Klasse nur, wenn die Arbeiterbewegung und die antikolonialen Kräfte stark sind, also etwa selbst die Macht in Staaten übernehmen. Geschieht das nicht, schlägt das Interesse an maßloser Ausbeutung in jeder Krise um in Maßlosigkeit der Menschenvernichtung.
Die 20er Jahre dieses Jahrhunderts liefern dafür neue Beispiele. In den USA fielen unter Verhöhnung durch Trump in seiner ersten Amtszeit weit mehr als eine Million Menschen einem Virus zum Opfer – neben den Hunderttausenden Toten, die aufs Konto der Opioidkonzerne gehen. Abstumpfung regiert unter Trumps Anhängern bei den Massendeportationen von Migranten heute. Die Weigerung des Westens insgesamt, dem globalen Süden seinerzeit Impfstoffe zur Verfügung zu stellen, gibt hinreichend Auskunft über die Wertegemeinschaft: Zivilisation ist nicht vorgesehen. Sie erklärt sich selbst zum »Garten«, den Rest der Welt zum »Dschungel«. Der damalige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gab das im Oktober 2022 repräsentativ von sich. Die Parole lautet: den Barbaren Barbarei.
Insofern handelt die Bundesregierung mit ihrer Hilfe bei der Vernichtung durch Hunger in Gaza, beim Einfliegen von Taliban-Beamten zwecks Abschiebung von Afghanen, die mit dem Tod bedroht werden, beim Dank an Israel für seine »Drecksarbeit«, mit ihrer rassistischen Russophobie, beim »Härten und Schärfen« (Innenminister Alexander Dobrindt am 18. Juli auf der Zugspitze) des EU-Asylsystems folgerichtig. Wer die EU mit seiner größten konventionellen Armee zur Kriegstüchtigkeit führen will, kann sich Schlappheit vor allem in der Migrationspolitik nicht leisten.
Denn bisher wachte in der Wahrnehmung ihrer Wähler hierzulande fast allein die AfD darüber, dass das durch die EU kontrollierte Ertränken Zehntausender im Mittelmeer, das Abschieben nicht verwertungsfähiger Asylsuchender in Folter- und Vergewaltigungsknäste ebenso weitergeht wie Israels Genozid. Das wird sich ändern. Die Partei für Faschisten vertritt zwar lediglich konsequent die herrschende EU- und NATO-Meinung, ist aber am Regierungstrog nicht zugelassen. Bis es soweit ist, regiert die Barbarei schon vorab – ob bei der Abschiebung einer jesidischen Familie in den Irak oder einer Frau mit vier Kindern, siehe »Monitor«, nach Albanien, die von ihrem Ehemann mit dem Tod bedroht wird.
Einzelne Exzesse? Wenn von Faschisten diktiert wird, wer Verfassungsrichterin werden darf, sind die Tore bereits weit geöffnet. Krieg gegen die Verdammten dieser Welt benötigt die barbarisch gestimmte Heimatfront.
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