Umfaller des Tages: Wolodimir Selenskij
Von Reinhard Lauterbach
Dass Politik die Kunst ist, im richtigen Augenblick Rückzieher zu machen, kann man in diesen Tagen in der Ukraine beobachten. Dort hatte bekanntlich Wolodimir Selenskij letzte Woche im Schweinsgalopp ein Gesetz durch das Parlament gejagt und Anfang dieser Woche durch seine Unterschrift in Kraft gesetzt, das einige formale Hindernisse beim straflosen Klauen durch Amtsträger aus dem Weg räumte: indem die Antikorruptionsbehörden der Generalstaatsanwaltschaft und damit der Präsidialverwaltung unterstellt werden sollten. Damit hätte Selenskijs Amtschef Andrij Jermak die volle Kontrolle darüber bekommen, gegen wen Korruptionsvorwürfe opportun sind und gegen wen nicht. Zwei Tage und zwei Demonstrationsabende später hat Selenskij jetzt das Gesetz zurückgezogen und die Unabhängigkeit des »Nationalen Antikorruptionsbüros« angeblich wiederhergestellt.
Das ist zwar schon wieder gelogen, weil gleichzeitig der ebenfalls von Selenskij gesteuerte Geheimdienst SBU ein halbes Jahr bekommt, um alle Ermittler dieser – notabene von den westlichen Geldgebern der Ukraine erzwungenen – Antikorruptionsbehörden mit dem Lügendetektor darauf zu überprüfen, ob sich unter ihnen nicht russische Agenten befinden. Denn Korruptionsvorwürfe gegen Leute aus Selenskijs Umfeld können ja nur aus Russland inspiriert sein.
Warum der abrupte Rückzieher? Die Antikorruptionsleute haben ihren großen Bruder gerufen, die EU. Und deren Erweiterungskommissarin Marta Kos hat postwendend drohend von einer »Belastung für den EU-Beitrittsprozess der Ukraine« gesprochen, wenn die »Rechtsstaatlichkeit« nicht gewahrt bleibe. Da kann ein Präsident, der bei eben dieser EU um das Geld betteln muss, das er braucht, um seine Soldaten nicht nur zu bewaffnen, sondern sogar zu besolden, nur klein beigeben. Auch wenn er sich darüber zum Hampelmann macht.
Siehe auch
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ansichten
-
Barbarische Heimatfront
vom 26.07.2025