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Aus: Ausgabe vom 26.07.2025, Seite 2 / Ausland
Nahostkonflikt

Rückkehr nach 40 Jahren

Libanons Nationalheld Georges Abdallah aus französischer Haft entlassen
Von Jörg Tiedjen
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Mehr als 25 Jahre lang hatten Washington und Paris Abdallahs Freilassung blockiert (Beirut, 25.7.2025)

Einer der am längsten inhaftierten politischen Gefangenen ist frei. Nach mehr als 40 Jahren ist Georges Ibrahim Abdallah aus französischer Haft entlassen worden. Freitag morgen wurde der 74jährige libanesische Kommunist aus dem Gefängnis in Lannemezan in den Pyrenäen nach Paris überführt, wie AFP berichtete. Von dort flog er nach Beirut, wo er bei seiner Ankunft am Nachmittag als Nationalheld empfangen wurde. Darauf wollte er in sein Heimatdorf Kubaijat zurückkehren.

»Es geht im Moment nicht um Gefühle und Nostalgie, vielmehr wird endlich der Gerechtigkeit Genüge getan«, sagte Abdallahs Bruder Robert laut dem Auslandssender France 24. Unter den ersten, die Stellung zu der Freilassung nahmen, war auch die Kommunistische Partei Libanons, die Abdallah als »prinzipientreuen Widerstandskämpfer« feierte. Die Hisbollah nannte ihn ein »Vorbild für jeden Gefangenen, Kämpfer und ehrenhaften Menschen, der das Banner der Würde gegen die Tyrannei hochhält«.

Ein Berufungsgericht in Paris hatte Abdallahs Freilassung vor einer Woche angeordnet – unter der Voraussetzung, dass er das Land sofort verlasse. Eine solche Verfügung war nicht zum ersten Mal ergangen. Tatsächlich hätte Abdallah, der seit 1984 in Frankreich inhaftiert war, schon seit 1999 die Freiheit wiederfinden können. Doch das hatte bisher Frankreichs Regierung verhindert. Erneut legte sie vergangene Woche Widerspruch ein. Ohne Erfolg – diesmal war der Gerichtsentscheid bindend.

Abdallah hatte sich 1984 in einer ausweglos scheinenden Situation, in der er sich vom israelischen Geheimdienst verfolgt sah, in Lyon der Polizei gestellt. Er wurde als Anführer einer gegen Israel und seine Unterstützer kämpfenden revolutionären Untergrundorganisation identifiziert, die die Verantwortung für Attentate auf einen israelischen Diplomaten und einen US-Militär übernommen hatte. Allerdings konnte Abdallah, der auch der marxistisch-leninistischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) angehört hatte, nicht viel mehr als ein falscher Pass nachgewiesen werden.

Zunächst erhielt Abdallah eine Haftstrafe von wenigen Jahren. Doch die USA drängten auf einen weiteren Prozess, der vor einem Sondertribunal stattfand. In ihm wurde er 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach französischem Recht bedeutete dies eine Mindesthaftdauer von 15 Jahren. Doch das wollten die USA nicht akzeptieren und bestanden darauf, dass »lebenslänglich« auch »lebenslänglich« bedeute.

Abdallah blieb unbeugsam. Bis heute weist er die ihm zur Last gelegten Straftaten zurück, seinen Widerstand gegen Israel bereute er nie. Laut einer am Donnerstag von Al-Majadin veröffentlichten Stellungnahme beklagt er, dass sich die Öffentlichkeit in den arabischen Ländern nicht geeint gegen einen Kapitalismus zur Wehr setze, der sich im Niedergang befinde und gerade deswegen immer mehr Kriege provoziere. Abdallahs Anwältin versicherte gegenüber dem libanesischen Sender, dass er seine politische Tätigkeit fortführen werde.

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