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Aus: Ausgabe vom 26.07.2025, Seite 2 / Ausland
»Handala« mit Kurs auf Gaza

»Jetzt lassen sie überhaupt keine Hilfsgüter mehr zu«

Neues Schiff der »Freedom Flotilla« versucht, israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Ein Gespräch mit Robert Martin
Interview: Laura Meschede
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Einige der insgesamt mehr als 15 Aktivisten warten vor der Abfahrt ihres Schiffs »Handala« im italienischen Hafen Gallipoli (20.7.2025)

Das Schiff »Handala« ist Teil der sogenannten Freedom Flotilla, mit der palästinasolidarische Aktivisten wiederholt versuchen, die durch das israelische Militär aufrechterhaltene Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Während wir – trotz wiederholter Verbindungsabbrüche – miteinander sprechen, sind Sie bereits seit fünf Tagen an Bord, mit 20 anderen Menschen. Wie ist Ihre Situation im Moment?

Ich fühle mich ein bisschen krank und müde. Die vergangenen drei Tage waren eine emotionale Achterbahnfahrt. Wir haben jeden Tag Notfallübungen gemacht. Das hat die Situation für mich zumindest langsam real werden lassen. Wir sind in diesem Augenblick auch schon ziemlich nah dran. Wir bereiten uns auf alles vor, weil wir nicht wissen, was passieren wird. Das fühlt sich jetzt, wie gesagt, schon wirklich sehr real an.

Die Freedom Flotilla ist eine international zusammengesetzte Koalition von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich zum Ziel gesetzt haben, Hilfsgüter und Medikamente zu den Palästinenserinnen und Palästinensern nach Gaza zu bringen, einer der aktuell gefährlichsten Orte der Welt. Warum machen Sie das?

Ja, das ist eine verrückte Geschichte. Ein paar Aktivisten auf einem winzig kleinen Boot fahren um die Welt, um Lebensmittel und Teddybären und andere Kleinigkeiten nach Palästina zu liefern. Aber Gaza wird von Israel illegal belagert. Sie halten alle Boote auf, und sie erlauben den Palästinensern auch nicht, aufs Meer hinauszufahren (zum Beispiel für Fischfang, jW). Und das führt dazu, dass Leute von uns sogar Briefe von der Botschaft ihres jeweiligen Herkunftslands bekommen haben, in denen stand, sie sollten sich gut überlegen, ob sie wirklich nach Gaza fahren wollen, um humanitäre Hilfe zu leisten. Das ist doch verrückt! Aber wir fahren trotzdem. Denn wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, was dort vor sich geht.

Worauf genau wollen Sie die Aufmerksamkeit richten?

Vor allem auf die illegale Blockade! Schon lange hat Israel viele Güter nicht nach Gaza durchgelassen. Seien es Krücken, sei es Schokolade. Aber jetzt lassen sie überhaupt keine Hilfsgüter mehr zu, weder Lebensmittel noch Medikamente noch Babynahrung! Israel hat Gaza im Grunde genommen in einen Käfig verwandelt, in dem die Menschen einfach verhungern. Und wir müssen zusehen, wie ein Völkermord, eine »ethnische Säuberung« vorangetrieben wird.

Sie rechnen damit, am Sonntag das Ziel Ihrer Fahrt zu erreichen. 2010 haben israelische Soldaten ein Schiff der Freedom Flotilla vor dessen Ankunft gestoppt, gestürmt und mehrere Crewmitglieder erschossen. Haben Sie Angst, dass das Ihnen auch passiert?

Israel kann faktisch machen, was es will. Sie können einen oder zwei von uns erschießen, sie können vier von uns erschießen. Ich kann es nicht wissen. Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt.

Vor knapp einem Monat ist das Schiff »Madleen« der Freedom-Flotilla-Koalition ebenfalls von israelischen Soldaten gestoppt und die Crew festgenommen worden. Sie haben bereits angekündigt, in einem solchen Fall in den Hungerstreik zu treten. Was ist das Ziel dabei?

Ich bin den ganzen Weg aus Aus­tralien gekommen, um ein Teil der Flottille zu werden. Diesen weiten Weg bin ich nicht gegangen, nur um dann entführt zu werden und einfach zu tun, was die israelischen Soldaten mir sagen. Das wird nicht passieren. Ich werde ihr Essen nicht essen. Ich werde nichts von ihnen annehmen. Ich bin nicht an Nettigkeiten von ihnen interessiert. Sie sind Besatzer.

Was können Menschen tun, die Ihre Mission unterstützen wollen?

Wer uns unterstützen will, kann sich einfach der Freedom Flotilla anschließen. Wie man das machen kann, erklären wir auf unserer Website. Alternativ kann man sich einer lokalen Gruppe anschließen. Es gibt so viele lokale Gruppen, die sich für Palästina engagieren und Druck auf diese dummen, nutzlosen Politiker ausüben, die bislang den Genozid einfach nur absegnen.

Robert Martin ist australischer Aktivist und Mitglied der Initiative »Boats to Gaza« sowie der Freedom-Flotilla-Koalition. Er befindet sich zum Zeitpunkt des am Freitag geführten Gesprächs an Bord der »Handala« mit Kurs auf den Gazastreifen

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