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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 5 / Inland
Brot-und Backwarenindustrie

Toast-Lieken hat sich verrechnet

Großbäckerei sperrt Belegschaft aus. Spaltungsversuch geht nach hinten los
Von Susanne Knütter
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Wer kennt dieses Broterzeugnis nicht? »Golden Toast« vom Backwarenhersteller Lieken

Nach Hiestand im März hat nun wieder eine Großbäckerei in einer Tarifauseinandersetzung Aussperrungen angeordnet. Am Wochenende schloss Backwarenhersteller Lieken die Belegschaft im baden-württembergischen Crailsheim von der Produktion aus. Per Aushang wurde den 222 Beschäftigten ihre Aussperrung, mit der immer der Lohnausfall einhergeht, für die Zeit von 6 Uhr am Sonnabend bis 14 Uhr am Sonntag mitgeteilt. Es war die Reaktion auf den ganztägigen Warnstreik einen Tag zuvor. Und ein Angriff, der nach hinten losging. Nach Angaben der NGG wollte sich Lieken mit »besonderen Mitteilungen« an bestimmte Mitarbeiter wenden, um Toast und Brötchen herzustellen. Der Plan ist offensichtlich gescheitert. Auch während der Phase der Aussperrung seien die Maschinen nicht zum Laufen gebracht worden, wie Alexander Münchow von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten am Dienstag gegenüber jW sagte.

Gescheitert ist auch der Spaltungsversuch des Unternehmens – Streikende gegen Nichtstreikende, Gewerkschaftsmitglieder gegen Nichtmitglieder. Zum einen hätten sich in Crailsheim fast alle an den Arbeitsniederlungen beteiligt. Zum anderen hätten sich auch andere Belegschaften unternehmensunabhängig solidarisiert, so Münchow. Und klar sei auch, die Gewerkschaft wird die Aktion nicht unwidersprochen lassen. »Wir sind gut aufgestellt. In allen Betrieben werden Aktionen stattfinden«, so Münchow. Gemeint sind die baden-württembergischen und hessischen Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie, für die Münchow derzeit mit dem Unternehmerverband verhandelt.

Die NGG fordert unter anderem 6,5 Prozent mehr Lohn bei zwölf Monaten Laufzeit und 100 Euro mehr für Auszubildende. Die Forderungen sind nicht nur wegen der hohen Lebenshaltungskosten im Südwesten und der Preissteigerungen gerechtfertigt. Sie sind auch nötig, um den Anschluss zu anderen Tarifgebieten nicht zu verlieren. Erst kürzlich konnte die NGG im Tarifgebiet Ost einen Abschluss erzielen, der zum Jahresende endlich die Angleichung an das höchste Tarifniveau in Westdeutschland vorsieht. Das gilt in Hamburg und Schleswig-Holstein, wo derzeit ebenfalls verhandelt und gestreikt wird. Ein Angebot der Unternehmerseite von drei Prozent hat die NGG im Norden bereits abgelehnt. Und in Süddeutschland? Da schlägt der Unternehmerverband gerade einmal 2,8 und 2,3 Prozent über 24 Monate vor. Wer so verhandelt, will aus Sicht der NGG keine Lösung.

Und es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu ähnlichen Eskalationen wie der vom Wochenende in Crailsheim auch an anderen Standorten und zwar bundesweit kommt. Laut der Mitteilung an die Belegschaft in Crailsheim bezog sich Lieken auf einen Beschluss des Unternehmerverbandes, also des Verbands deutscher Großbäckereien. Aus Sicht der Gewerkschaften sind Aussperrungen kein zulässiges Instrument im Arbeitskampf. Der Belegschaft wird so das einzige Mittel, ein Kampfgleichgewicht herzustellen, genommen. Das Unternehmen nutze damit seine Macht aus und übe »gnadenlose Gewalt auf dem Rücken der Beschäftigten« aus, so Münchow. Lieken selbst wollte die Angelegenheit am Dienstag nicht kommentieren. Aus Sicht des Gewerkschafters sind die Aussperrungen für Lieken ein Imageschaden. Das sollten auch andere Betriebe einpreisen.

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