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Aus: Ausgabe vom 17.07.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
DGB und Israel

Kein Freibrief für Gewalt

DGB verabschiedet Resolution zu Gaza. »Gewerkschafter für Gaza« kritisieren Mängel
Von Max Grigutsch
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Palästina-Solidarität müssen Beschäftigte meist gegen die Gewerkschaftsführungen durchsetzen (Berlin, 10.4.2024)

Besser spät als nie: Der DGB hat die Beendigung der »Gewalt in Gaza« verlangt. »Als Folge der israelischen Militäroperation ist die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen inzwischen katastrophal«, erkannte der Gewerkschaftsbund in einer Resolution vom 1. Juli an. Das propalästinensische Netzwerk »Gewerkschafter für Gaza« begrüßte die Stellungnahme als »ein kleines Zeichen für Menschlichkeit«, beanstandete in einer Mitteilung von Sonntag allerdings, der DGB bleibe »nach 21 Monaten Genozid« dennoch »weit hinter den Erfordernissen zurück«.

Die Resolution setzt ein mit einer Beschreibung des Angriffs der Hamas am 7. Oktober 2023, infolgedessen der israelische Staat sein »völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstverteidigung wahrgenommen« habe. Der nachfolgende »Krieg« habe aber zu »mehreren zehntausend Toten und weit über 100.000 Verletzten, darunter vielen Kindern« auf palästinensischer Seite geführt. Die Quintessenz: Selbstverteidigung sei kein »Freibrief für unbegrenzte Gewalt«.

Mutig ist das nicht, vielmehr schwimmt der DGB in seiner Anerkennung palästinensischen Leids mit dem Strom des Sagbaren. Dass es zu der Resolution kommen konnte, führen die »Gewerkschafter für Gaza« auf die großen Demos der vergangenen Wochen sowie die »Aktionen von Hafenarbeiter:innen in Marseille, Genua und Tanger, die Waffenlieferungen nach Israel gestoppt haben«, zurück.

Derartige Mittel der Arbeiterklasse finden in der DGB-Resolution keine Erwähnung, Streiks und Blockaden scheinen dem Dachverband fremd. Forderungen werden gestellt an die Hamas, die alle Geiseln freilassen soll; an Israel, das zwar ein »unzweifelhaftes Recht« auf Selbstverteidigung habe, aber im »Rahmen des Völkerrechts« handeln müsse; und an Bundesregierung und EU, die sich für »diplomatische und humanitäre Lösungen« für einen Waffenstillstand einsetzen sollen. »Weitergehende Forderungen nach einem Stopp der Waffenlieferungen an Israel bleiben aus«, kritisieren die »Gewerkschafter für Gaza«.

Die »wiederholten Forderungen palästinensischer Gewerkschaften« würden nicht angeführt, bemängelt das Netzwerk. »Palästinenser werden vom DGB-Vorstand nur als Opfer oder Terroristen anerkannt, als Akteure kommen sie nicht vor.« Internationalismus beweist der DGB dann doch – in seinem Bekenntnis zum israelischen Gewerkschaftsverband Histadrut. Kritik an diesem befindet der deutsche Dachverband für »unerträglich«. Schon am 10. Oktober 2023 hatte der DGB seine »Solidarität mit Israel« in einem Brief an Arnon Bar-David bekundet. Die »Gewerkschafter für Gaza« liefern Kontext: Der Histadrut-Vorsitzende habe am 23. November 2023 Raketen aus der Produktion des israelischen Waffenherstellers Elbit Systems signiert, die wohl bei den Angriffen auf Gaza zum Einsatz kamen.

Solidarität auch mit der Polizei: Der DGB verurteile »jegliche Gewalt«, insbesondere die, die »sich dann auch direkt gegen unsere Kollegen von der GdP richtet«, so die Resolution. Die Mitglieder der »Gewerkschaft der Polizei« seien allerdings diejenigen, die »die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im eigenen Land« durchsetzen, entgegnen die Gewerkschafter. Sie empfehlen dem DGB eine Auseinandersetzung mit der »eigenen Verantwortung und der Mittäterschaft der Histadrut«, außerdem eine Rücknahme der Unterstützung »für alle Pläne zur Militarisierung und Aufrüstung des deutschen Staates«. Überzeugen dürfte das den Gewerkschaftsbund nicht, der es bekanntlich als notwendig erachtet, dass Deutschland »verteidigungsfähiger« werden müsse. Auf eine jW-Anfrage reagierte der DGB bis Redaktionsschluss nicht.

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