Weitgehend ruhig
Von Susanne Knütter
Insgesamt 310.000 Teilnehmer bundesweit meldete der Deutsche Gewerkschaftsbund am internationalen Kampftag der Arbeiterklasse für seine gut 420 Veranstaltungen und Kundgebungen landauf, landab. Von Eskalationen, wie im letzten Jahr etwa in Berlin und Stuttgart, wo antikapitalistische und palästinasolidarische Gewerkschafter teils gewaltsam am Demonstrieren gehindert und von DGB-Demonstrationen ausgeschlossen worden waren, war bis jW-Redaktionsschluss nichts bekannt.
Es könnte an der Zusammensetzung der Demonstrationen gelegen haben. In Berlin, wo laut Gewerkschaftsbund insgesamt 11.000 Menschen am DGB-Zug teilgenommen haben, war der klassenkämpferische Block etwa genauso groß wie alle Blöcke der Einzelgewerkschaften zusammen. In Nürnberg war die revolutionäre Demonstration, die gleichzeitig mit der des DGB stattfand, nach Angaben von jW-Beobachtern größer. In Dresden machte der palästinasolidarische Block etwa ein Drittel des DGB-Zugs aus. In Stuttgart und Frankfurt am Main, wo junge Welt vor Ort war, ist die Beteiligung von migrantischen und klassenkämpferischen linken Gruppen traditionell sehr stark. So auch in diesem Jahr.
Das spiegelte sich in den Inhalten wider, zumindest entlang des Demozugs. Neben der Forderung nach bezahlbaren Wohnungen, guten Löhnen und Investitionen in Bildung, war das zentrale Thema vieler Demoteilnehmer die Forderung nach Frieden und Abrüstung. Auf Transparenten und in Sprechchören hieß es: »Friedensfähig statt kriegstüchtig!«, »Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden auf der ganzen Welt!« Und immer wieder: »Free, free, Palestine!«, wie jW aus Köln berichtet wurde.
Vereinzelt fanden die Positionen Widerhall in den Stellungnahmen von – zumindest lokalen – Gewerkschaftsfunktionären. Die IG BAU Köln forderte auf einem Banner: »Bezahlbarer Wohnraum statt Rüstung!« Der Vorsitzende des DGB-Stadtverbands Köln, Witich Roßmann, verlangte in seiner Ansprache auf der zentralen Kundgebung: »Es darf keine weiteren Bomben auf die Kinder von Gaza geben!« Hinsichtlich der sogenannten Zeitenwende rief er: »Wir dürfen Russen nicht als Erbfeinde betrachten!« Und weiter: »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« Statt dessen forderte Roßmann mehr Steuern für Reiche. Seine Parole: »Verprügelt die Reichen und streichelt die Armen!« In Frankfurt am Main sei der palästinasolidarische Block bei der Ankunft zur zentralen Kundgebung auf dem Römer von dem dortigen DGB-Vorsitzenden begrüßt worden.
Auf die Bühnen der Gewerkschaftsspitzen hat es Staats- und Systemkritik aber erwartbar nicht geschafft. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kritisierte bei der zentralen Mai-Kundgebung in Chemnitz die Angriffe auf den Achtstundentag. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke verteidigte den freien Sonntag. IG BAU-Chef Robert Feiger forderte »endlich eine klare Mietobergrenze« und lobte, dass »nun endlich die Schuldenbremse gelockert werde, es stünden 500 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung«.
Die GEW nutzte den 1. Mai, um einmal mehr zu fordern, dass aus dem jüngst beschlossenen »Sondervermögen« mindestens 130 Milliarden Euro zusätzlich für den Bildungsbereich bereitgestellt werden. Dass dieser vermeintliche Heilsbringer »Sondervermögen« mit der Möglichkeit zur grenzenlosen Aufrüstung bezahlt wurde, blendeten die Gewerkschaftsspitzen – ebenso erwartbar – auch am internationalen Kampftag der Arbeiterklasse aus.
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