»Bis heute wird die Verherrlichung geduldet«
Interview: Carmela Negrete
In Spanien ist das Erbe von Francisco Franco noch immer lebendig. Dafür sorgen die zahlreichen Anhänger des faschistischen Generals und Diktators auch gut 50 Jahre nach dessen Tod. Was führen sie für diesen Donnerstag im Schilde?
Es werden mehrere Gedenkakte stattfinden, einberufen von der Katholischen Bewegung. Das ist eine ultrarechte Gruppierung, die dem Franquismus nahesteht. Bereits 1936 erklärten die spanischen Bischöfe das Unterfangen, die Republik zu zerschlagen, zu einer Kreuzfahrt zur »Auslöschung der Roten« und zur »Rettung« Spaniens. Nun wollen diese ultrakatholischen, falangistischen und traditionalistischen Gruppen Gedenkfeiern für Franco und José Antonio Primo de Rivera veranstalten. Sie wollen das »Cuartel de la Montaña« ehren, einen Militärstützpunkt in Madrid, wo sich 1936 Militärputschisten und Ziviltruppen trafen, um die Kontrolle über einen Teil der Stadt zu übernehmen.
Was gibt es daran zu ehren?
Das Volk versammelte sich damals um den Stützpunkt, das Militär eröffnete das Feuer. Es gab fast 300 Tote, der Stützpunkt wurde gestürmt. Die Putschisten kämpften, einige begingen Selbstmord, und es folgte die Repression. In diesem Kontext Gedenkfeiern für die sogenannten Opfer des roten Terrors zu organisieren, ist so, als würde man in Deutschland der SS-Angehörigen gedenken, weil sie am letzten Tag des Zweiten Weltkriegs erschossen wurden. Eine solche Gedenkveranstaltung sollte als Verherrlichung des Franco-Regimes verboten werden. Deshalb fordern wir als Gewerkschaft CGT, dass diese Feier untersagt werden muss.
Wie kann es 2025 noch eine Veranstaltung zu Ehren Francos geben?
Auch 50 Jahre nach dem Tod des Diktators und dem Ende seines autoritären Regimes wurden in diesem Land Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung nicht verwirklicht. Es herrscht Straffreiheit für die begangenen Verbrechen: Putsch gegen die legal gewählte Zweite Republik, Exekutionen, Gefängnisstrafen, Tod, Verschwundene, von denen wir noch immer nicht alle zurückgeholt haben. All dies liegt daran, dass sich die Justiz nicht von Franco-Anhängern bereinigt hat, ebensowenig Polizei und Militär, Verwaltung und Legislative.
Dementsprechend wurde im Juli 2022 ein zweites Erinnerungsgesetz namens »Gesetz der demokratischen Erinnerung« nach dem Vorbild des historischen Erinnerungsgesetzes Zapateros verabschiedet. Aber keines dieser Gesetze hat den Franquismus von Grund auf beseitigt. Bis heute wird die Verherrlichung geduldet, auch im Parlament. Wir haben in der Wirtschaftselite Nachfahren des Franco-Regimes, die aus Sklavenarbeit Profit zogen. Wir haben franquistische Ordnungskräfte und eine Justiz, die die Verherrlichung des Franco-Regimes nicht bestraft.
Warum protestieren die großen Gewerkschaften nicht?
Weil die Gesellschaft, speziell die Jugend, stark von Falschinformationen, Onlinepropaganda und Individualismus geprägt ist. Der gesellschaftliche Aufschrei fehlt. Dabei geht es hier nicht nur um elementare Lebensrechte wie Essen oder Bildung: Es geht um Gerechtigkeit. Doch Gewerkschaften und politische Parteien haben bislang ebenso geschwiegen. Ihr Schweigen oder ihre Duldsamkeit ermutigen diejenigen, die versuchen, die Geschichte zu verzerren. Historiker wie Pío Moa behaupten, die Republik habe den »roten Terror« ausgeführt. Obwohl die Demokratie von 1931 bis 1975 gesetzeskonform und legitim regierte, werden uns heute Geschichten erzählt, die nichts mit den historischen Fakten zu tun haben.
Weshalb erfolgten bis heute keine Reparationsleistungen, zum Beispiel durch die BRD?
Einzelpersonen haben versucht, Konzerne wie Siemens und Volkswagen oder sogar den Staat Deutschland zu verklagen – jedoch ohne Erfolg. Außerdem wurde die Franco-Diktatur ab den 1960er Jahren politisch international akzeptiert, wodurch viele Exilanten ohne Schutz blieben. Deutschland und Italien unterstützten den Putsch finanziell, diplomatisch und militärisch. Spanien diente ihnen als Testfeld für neue Waffen. So erprobte die berüchtigte »Legion Condor« ihre Taktiken in Madrid, Barcelona, Valencia und vielen anderen Städten. Das war ein Testballon für den Zweiten Weltkrieg.
Joan Pinyana ist Koordinator für libertäres Andenken der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CGT
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