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Aus: Ausgabe vom 16.07.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Superman erzwingt Frieden

In James Gunns Kinoadaption hat der Held in Babyblau sehr viel zu tun, aber einen treuen Gefährten an seiner Seite
Von Peer Schmitt
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Krypto, was soll ich tun?

Wer hat bei mehr Filmen mitgemacht als selbst Marlon Brando (der sich wiederum einst das Privileg herausnahm, den Vater des Betroffenen, einen gewissen Jor-El, zu geben)? Ist es ein Vogel, ein Flugzeug, ein nasser Sack, ein fallender Stern? Nein, es ist natürlich Superman (David Corenswet). In James Gunns Adaption des Mythos fliegt er allerdings nicht unfallfrei herum. Zunächst einmal fällt, stürzt, plumpst er vom Himmel hinein in den Schnee, offenbar unweit von seiner Wohnstatt im ewigen Eis, der Fortress of Solitude. Er kotzt ordentlich Blut (das rote Blut macht sich im Schnee immer gut) und sieht überhaupt recht verbeult aus. Er hat gerade einen Kampf verloren, heißt es, zum allerersten Mal, und als verbeultes Bündel Elend in der Schneegrube hat er seine Menschlichkeit und Fehlbarkeit gleich zum Auftakt hinreichend bewiesen.

Da muss man gar nicht lange herumdeuteln, es steht gar nicht gut um Superman. Glücklicherweise hat auch der Übermensch wie jeder, nun ja, Mensch einen besten Freund, der sich Hund nennt. Ja, das ist die erste signifikante Neuerung, die Gunn am Repertoire vorgenommen hat: Supermans Hund, Krypto, ist endlich mit von der Partie, um seinem Herrchen regelmäßig aus der Patsche zu helfen. So ein fliegender Superhund mit Cape kann selbstverständlich gar nicht anders, als alle guten Szenen zu stehlen (so wie der Waschbär in Gunns »Guardians of the Galaxy«-Filmen), insbesondere dann, wenn er sehr eigenwillig (schlecht erzogen) ist und (liebend gern) Ärger macht.

Superman ist also angeknockt und leckt in seinem Eispalast zusammen mit Krypto und seinen durchnummerierten Helferrobotern seine Wunden. Keine gewohnte Situation für ihn. Genau dafür ist James Gunn von Warner-DC der Konkurrenz von Disney-Marvel wohl abgekauft worden (genaugenommen hatten die ihn zwischenzeitlich ohnehin gefeuert). Er sollte endlich wieder Leben in diese Bude bringen, die sich bisher vornehmlich durch konzeptuelle Desaster und gewaltige Verlustabschreibungen (steuertechnisch erfolgreich) ausgezeichnet hat. Immerhin gilt es, ein Analogon zur Konkurrenz, ein DC Cinematic Universe zu schaffen, in das sich irgend jemand (das konsumwillige Massenpublikum beispielsweise) auch tatsächlich verirren will.

Der letzte große Superman-Versuch »Man of Steel« (Zack Snyder, 2013) zeigte den Helden als todernsten Schreckensmann und Vatersöhnchen und war eine totale Pleite. Gunns zugewiesene Rolle ist vielleicht mit der von Mort Weisinger vergleichbar, dem Chefredakteur der Superman-Hefte zwischen 1958 und 1970, der in den 60ern den Mythos gehörig umkrempeln ließ. James Gunns Superman hat einiges von Weiningers Neuerungen abbekommen: die Einführung von Krypto und der Cousine Supergirl, die zunehmende Wichtigkeit von Figuren wie Lois Lane und Jimmy Olsen, die Sache mit den Paralleluniversen und Zeitreisen, die fragwürdige soziokulturelle Verfassung seines Heimatplaneten Krypton (vor dessen Zerstörung), die Kraftschöpfung durch »die gelbe Sonne« usw.

Als Mythos – und nehmen wir Umberto Eco und seinem berühmten Essay »Der Mythos von Superman« (1964) einmal ohne Nachfrage ab, dass es sich um einen ebensolchen handelt – ist Superman natürlich ein Mann der Wiederholungen. Er ist dazu geschaffen, immer wieder als seine eigene Parodie zurückzukehren. Sein Dilemma: Im Grunde ist er ein netter Junge vom Land, der immer nur das Beste will. Doch hat er diese Superkräfte, die ihn zu einer Art Gott werden lassen, der, wohin immer er fliegt, selten einen Stein auf dem anderen stehen lässt. Er könnte selbst das Übel sein, von dem er die Welt befreien möchte. Anders gesagt, auch Superman ist eine »schöne Seele«. Und das ist bekanntlich kein Kompliment, sondern eine Verzweiflungsdisposition, bei der ärztlicher Beistand angebracht ist. Die schöne Seele kämpft mit den Aporien des Gewissens, ihr Denken in Sein zu verwandeln, und vergisst ob der allein schon daraus zwangsläufig resultierenden Schwierigkeiten, den entscheidenden Umstand, dass sie sich ihren moralischen Auftrag höchstselbst erteilt hat und kein anderer, denn die anderen haben schließlich ihren eigenen Kram zu erledigen, der wiederum weitere Gewissenplagen nach sich zieht usw. usf.

Superman hat also auch diesmal viel zu tun, vielleicht zuviel. Da ist zunächst der vermummte Doppelgänger, der ihn so übel verprügelt hat und als »Hammer of Boravia« in den Diensten seines Todfeindes Lex Luthor (Nicholas Hoult) zu stehen scheint. Luthor ist nebenbei Rüstungsindustrieller und finanziert einen drohenden Krieg zwischen den Ländern Boravia und Jarhanpur (irgendwo zwischen einem imaginären Osteuropa und einem ebenso imaginären Nahen Osten gelegen; man versteht schon). Superman musste bereits Boravias Präsidenten Vasil Ghurkos (Zlatko Buric, der Düngemittelfabrikant aus dem so epigonalen wie dusseligen »Triangle of Sadness«-Film) zur Ordnung rufen, und zwar eine Spur zu unbotmäßig. Er bekam dafür den Hammer zu spüren und schlechte Presse obendrein. Zu allem Überfluss machen sich neben ihm noch weitere (so heißen sie jetzt) Metahumans breit: Eine sogenannte Justice Gang – die verkörperte Arroganz Green Lanterne, der Alleskönner Mister Terrific und das flapsige Hawkgirl – stiehlt ihm zwischenzeitlich die Show wie sonst nur Krypto.

Und dann ist da noch die heikle Beziehungskiste mit Lois Lane (Rachel Brosnahan), die ihm mal wieder den Kopf wäscht. Zunächst sei sie für längere Beziehungen nicht gemacht, sie sei Punkrock und er ein Weichei (schöne Seele). Er müsse sich endlich einmal um sein Imageproblem kümmern, um die öffentliche Meinung überhaupt.

Superman hat zwar vorerst den Frieden erzwungen, aber über die zivil-, straf- und völkerrechtlichen Konsequenzen seines Handelns hat er sich jedoch, wie immer, nicht den geringsten Gedanken gemacht. Niemand hat ihm diesen Friedensauftrag erteilt. Er tut Buße und begibt sich freiwillig in den Privatknast, den Lex Luthor in einem eigens geschaffenen Taschenuniversum für ehemalige Girfriends, Metahumans und sonstige Monstrositäten eingerichtet hat. Im Knast ist es nicht angenehm, keine gelbe Sonne, dafür haufenweise Kryptonit, vor seinen Augen wird mit Todesfolge russisches Roulette gespielt. Superman weint bittere Tränen. Währenddessen rückt Boravia vor. Und dieses Vorrücken der Armee der Aggressoren zu vorgerückter Kinostunde gehört zu den lächerlichsten Bildern rückhaltlosen Jammers, die ich in jüngerer Vergangenheit sehen zu dürfen die Gelegenheit hatte. Doch die Einfalt stirbt genauso wenig aus wie die Ohnmacht des Wortes. Supermans Politik ist so einfältig, wie nur irgendein Leitartikel es sein kann. Nicht umsonst ist sein Alter ego Clark Kent von Beruf Tageszeitungsjournalist.

James Gunns Superman ist aber noch kein vollendeter Trottel, er versucht sich am Spagat zwischen schöner Seele und Punkrocker (sei nett zu Freunden und Nachbarn, demonstriere brav gegen die Waffenschmieden und vergiss darüber das Reisen und Leutekennenlernen nicht). Über dem Abspann verspricht ihm die Stimme von Iggy Pop freundliche Unterstützung: »See me die on Bleecker Street / I’m bored with being god / ’Cause I’m a punk rocker, yes I am«. Iggy Pop (geb. Stooge) ist vermutlich der wahre Superman, aber hat er auch eine schöne Seele?

»Superman«, Regie: James Gunn, USA 2025, 129 Min., bereits angelaufen

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