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Aus: Ausgabe vom 16.07.2025, Seite 5 / Inland
Druckindustrie

Kampf um die Auflagen

Insolvenzen, gestrichene Arbeitsplätze und neue Falzmaschinen: Umbrüche in der Druckindustrie
Von Florian Osuch
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Sie ist heute nicht mehr: Die Nürnberger Großdruckerei Prinovis machte im April 2021 dicht (19.4.2021)

Die Produktion in der Druckindustrie ist seit Jahren rückläufig. Insbesondere bei Zeitungen, Zeitschriften und Werbematerialien, aber auch bei Büchern sinken die Auflagen. Verstärkt wird dieser Trend durch immer leistungsstärkere Maschinen. Folgen dieser Überkapazitäten sind Maschinenstillstand, Pleiten und Arbeitsplatzvernichtung. Die Branche verzeichnete laut Daten des Bundesverbands Druck und Medien (BVDM) im Jahr 2022 einen Produktionsrückgang von 7,2 Prozent. Dieses Minus verschärfte sich 2023 – der Rückgang betrug im Jahresdurchschnitt 13,1 Prozent. Aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar, eine Trendumkehr ist aber nicht abzusehen.

Ein aktuelles Beispiel für das Firmensterben ist die Insolvenz der Buchdruckerei Ebner & Spiegel in Ulm. Die Firma ist Teil des CPI-Books-Konzerns, führender Buchdruckdienstleister in Deutschland. In Ulm wurden unter anderem die Weltbestseller der Harry-Potter-Reihe gefertigt. Der Insolvenzverwalter teilte am 2. Juli mit, dass »trotz intensiven, aber letztlich erfolglosen Bemühungen um eine Fortführung des Geschäftsbetriebs« die Produktion bei Ebner & Spiegel sowie beim Tochterunternehmen CPI Ulmer Buch-Service stillgelegt wird. Insgesamt 220 Beschäftigte verlieren ihre Jobs. Die Augsburger Allgemeine meldete zeitgleich, die CPI-Konzernführung habe der Gründung einer sogenannten Transfergesellschaft für 134 Arbeiter zugestimmt.

Es war ein langsames Sterben von Ebner & Spiegel. Die Geschichte der Traditionsdruckerei reicht – in Form von Vorgängerunternehmen – bis ins Jahr 1817 zurück. Betriebsrat Christian Clement sagte der Verdi-Zeitschrift Druck & Papier im Juni, das Management habe den Standort seit zehn Jahren systematisch geschwächt. Mehrfach habe die Firma bereits vor dem Aus gestanden. Zunächst 2015, als bereits 75 Stellen abgebaut worden waren. 2018/19 wurden dann Maschinen in Ulm ab- und an einem Standort in Tschechien wieder aufgebaut. Voriges Jahr seien weitere Anlagen nach Tschechien verlagert worden. Nun stehen in Ulm die verbliebenen Maschinen still. Jan Schulze-Husmann, zuständiger Verdi-Sekretär, vermutet noch andere Gründe für die Schließung. »Es handelt sich seit Jahrzehnten um einen wichtigen Streikbetrieb in der Druckbranche mit vielen Gewerkschaftsmitgliedern«, sagte er vergangenen Monat im jW-Interview.

Auch andernorts sterben Druckereien. In Ostfriesland sind seit kurzem die zur SKN- Mediengruppe gehörenden Ostfriesische Presse Druck GmbH und die Ostfriesische Bogendruck GmbH unter Insolvenzverwaltung gestellt. Betroffen sind 45 Mitarbeitende in Emden. Vorerst gerettet ist dagegen die Druckerei Kunst- und Werbedruck in Bad Oeynhausen. Die Firma und alle rund 50 Arbeitsplätze werden vom Druckdienstleister Sattler Group übernommen. Das meldete die Branchenzeitschrift Deutscher Drucker Ende Juni.

Umbrüche auch in der Schweiz, besonders im Zeitungsdruck. Dieser Teilbereich befindet sich im Niedergang, weil Auflagen seit Jahren kontinuierlich sinken, Zeitungsumfänge reduziert oder ganze Titel eingestellt werden. Der schweizerische Medienkonzern TX Group hatte im Frühjahr angekündigt, zwei seiner drei Druckstandorte zu schließen, in Bussigny im Kanton Waadt und in Zürich. Verbunden sei damit der Verlust von 200 Vollzeitstellen, meldete das Branchenportal print.de. Die TX Group lässt seitdem Teile ihrer Auflagen von anderen Druckereien herstellen. Ein Großauftrag ging etwa an die Somedia AG, die dafür ihr Werk in Haag im Kanton St. Gallen ausbaute. Insgesamt sind Investitionen in Höhe von 16 Millionen Franken geplant, darunter für den Bau einer neuen Lagerhalle, weitere Drucktürme und eine Falzmaschine.

Mit der Herstellung von Drucksachen können weiterhin hohe Profite generiert werden, so beispielsweise im Geschäft mit individuell gestalteten Fotobüchern. Führend in diesem Segment ist das Unternehmen Cewe. Laut einer Mitteilung steigerte die Firma ihren Gewinn im Geschäftsjahr 2024 auf 86,1 Millionen Euro. Die Cewe-Hauptversammlung beschloss kürzlich die 16. Dividendensteigerung in Folge. Ökonomisch erfolgreich ist auch die niederländische Firma Probo. Aktuell wird ein zweiter Produktionsstandort in Bad Hersfeld mit einer Produktionsfläche von 10.000 Quadratmetern errichtet. Probo hat ihren Schwerpunkt im Großformatdruck, etwa für Außenwerbung, Banner, Beschilderung sowie Messestände.

Insgesamt gehen die Umsätze in der Branche jedoch zurück. Im Jahr 2023 erzielten die Betriebe der Druckindustrie in Deutschland rund 17,6 Milliarden Euro Umsatz. Zehn Jahre zuvor waren es noch rund 20,3 Milliarden Euro. Die Zahl der Beschäftigten sinkt in noch rasanterem Tempo.

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