»Das ist ein wichtiger Streikbetrieb«
Interview: Gudrun Giese
Die Traditionsdruckerei Ebner & Spiegel in Ulm wird wohl Ende des Monats geschlossen. Dann endet das Insolvenzeröffnungsverfahren in Eigenverwaltung des Eigentümers CPI Ebner & Spiegel GmbH. Warum ist CPI bereit, den Standort aufzugeben, an dem jahrzehntelang erfolgreiche Buchtitel gedruckt wurden?
Ein Grund ist sicher die Entwicklung in der Branche. Als CPI 2002 die Ebner & Spiegel übernahm, ließen sich noch gute Profite mit dem Druck von Hardcover- und Taschenbüchern erwirtschaften. Das ist inzwischen längst nicht mehr der Fall, schon gar nicht angesichts permanenter Wechsel im Management, wie bei Ebner & Spiegel – insbesondere wenn diese oft fachfremd sind und falsche Entscheidungen treffen. So hat CPI Germany im Vergleich mit anderen Buchdruckereien in den vergangenen Jahren mehr Umsatz verloren, weil das Unternehmen auch dann noch an höheren Preisen festhielt, als Energie und Papier wieder günstiger geworden waren. Damit gingen Aufträge an die Konkurrenz. Dass es nun ausgerechnet den Ulmer Standort treffen soll, hat aber vermutlich noch einen anderen Grund: Es handelt sich seit Jahrzehnten um einen wichtigen Streikbetrieb in der Druckbranche mit vielen Gewerkschaftsmitgliedern.
Im Insolvenzantrag hat CPI behauptet, in Ulm könne zumindest der Digitaldruck etabliert werden. Warum ist davon nun nicht mehr die Rede?
Darin zeigt sich einer der managementtypischen Widersprüche. Vermutlich wurde in den Insolvenzantrag einfach dieser Passus aufgenommen, um die Eigenverwaltung zu sichern und damit für Ulm scheinbar eine Zukunftsperspektive anzubieten. Tatsächlich wurden und werden derzeit am Standort in Erfurt die Kapazitäten für den Digitaldruck aufgebaut. Dort hat CPI es dann nicht mit störenden Betriebsräten und Gewerkschaftern zu tun. Das gilt selbstverständlich ebenso für die Druckerei im tschechischen Mähren, wohin ein Teil des Buchdruckgeschäfts verlagert wird und wo die Kosten deutlich unter denen in Deutschland liegen.
Wie viel ist schon nach Tschechien verlegt worden?
Schon seit einiger Zeit hat CPI Maschinen vom Ulmer zum tschechischen Standort verlagert. Allerdings wird ein anderer Teil des Druckgeschäfts ins schleswig-holsteinische Leck verlegt, bekannt als Traditionsbetrieb Clausen & Bosse. Dort arbeiten immerhin noch rund 350 Kolleginnen und Kollegen zu Tarifkonditionen.
Bei Ebener & Spiegel verzichten die Beschäftigten bereits seit 23 Jahren auf Teile ihres Entgelts, um Arbeitsplätze zu sichern. Warum kommt dennoch die Schließung?
Das Management hatte offenbar keinen echten Plan für den Standort Ulm und hat ihn auch schon in der Vergangenheit durch den Abbau von 75 Stellen geschwächt. Als besonders perfide empfindet es die jetzige Belegschaft allerdings, dass CPI unmittelbar nach dem Auslaufen des letzten Standortsicherungsvertrages zum 31. März den Insolvenzantrag einreichte. Nach ihrem jahrelangen Verzicht auf Entgelt erhielten die noch etwa 180 Mitarbeiter so schließlich zum Ende einen Fußtritt für ihre zum Teil jahrzehntelange Arbeit. Das ist einfach ein ganz mieser Stil. Inzwischen lässt sich auch niemand aus dem Management mehr im Betrieb blicken. Die Abwicklung liegt ganz bei der Insolvenzverwaltung.
Wie wird es denn für die Beschäftigten weitergehen?
Leider ist das im Moment noch völlig offen. Ab Juli wird ein Sozialplan in der Insolvenz verhandelt. Dieser bietet allerdings nur begrenzte Möglichkeiten. Wir als Verdi fordern auf jeden Fall die Einrichtung einer Transfergesellschaft, um den Kolleginnen und Kollegen den Wechsel in einen anderen Betrieb zu ermöglichen. Tatsächlich haben sich aber auch schon manche der Beschäftigten etwas anderes gesucht – zumeist außerhalb der Druckbranche. Das ist bedauerlich, denn sie sind allesamt hochqualifiziert und verschwinden mit dem Aus von Ebner & Spiegel aus der Branche.
Jan Schulze-Husmann ist Verdi-Sekretär für die Tarifarbeit in der Druckindustrie
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Leserbrief von Marcel aus Gießen (16. Juni 2025 um 08:11 Uhr)Gewerkschaft setzt sich dafür ein, dass im Falle einer Pleite, die Lohnarbeiter in einem anderen Betrieb wieder Lohnarbeiter sein sollen, anstatt sich in einem demokratischen Betrieb zusammenzuschließen? So dienen doch die Gewerkschaften auch dem Erhalt des Status Quo und dem Erhalt der Gewerkschaft, denn ein demokratisierter Betrieb bräuchte keine Gewerkschaft. So haben sich Gewerkschaften die Prinzipien des Kapitalismus zu eigen gemacht, denn sie erhalten sich selbst, indem sie nicht die Ursachen beseitigen, weshalb sie überhaupt existieren. Gewerkschaften sind momentan nur ein Instrument, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, aber nicht die grundlegende Problematik zu adressieren. Selbstermächtigung der Arbeiter steht nicht im Vordergrund, und die Gewerkschaften erhalten sich selbst, indem sie nie so viel erreichen, dass sie obsolet werden würden. Meine erste Frage also wäre, warum man es nicht unterstützt, dass sich ein demokratischer Betrieb bilden kann. Außerdem bin ich der Meinung, dass nicht Arbeitsplätze an sich erhalten bleiben müssen, denn das Arbeitsplatzargument ist auch nur ein Unterdrückungsinstrument des Kapitalismus. Es ist vielmehr nötig, dass sich jedes Mitglied einer Gesellschaft die Frage stellt, welche Arbeit für die jeweilige Gemeinschaft wichtig ist, um eine bedürfnisorientierte Gesellschaft zu bilden.
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