»Dauerfeuer« auf Sozialstaat
Von Oliver Rast
Das passiert selten, fast nie. Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) erhebt die Stimme, wird laut. Yasmin Fahimi prangerte am Dienstag gegenüber dem Nachrichtenportal Web.de News die Kapitalseite in der BRD an. Die Unternehmensverbände wollten den »Sozialstaat torpedieren«. Jedenfalls einige besonders aggressive Protagonisten unter ihnen. Fahimi: »In der Tat, manche Arbeitgebervertreter verhindern Betriebsratsgründungen, lösen sich aus der Tarifbindung heraus und starten ein Dauerfeuer auf den deutschen Sozialstaat.« Das mache ihr »große Sorge«. Zumal sich jene Kapitalbosse aus »einer gesamtgesellschaftlichen Verabredungskultur« verabschieden würden. Sie meint damit offenbar die Sozialpartnerschaft.
Unverständlich sei diese Haltung von Firmenvorständen und Verbandschefs, findet Fahimi. Schließlich hätte sich der DGB samt Einzelgewerkschaften für Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft »stark eingesetzt«. Etwa hinsichtlich eines Industriestroms oder der Förderung von Infrastrukturprojekten.
Sie, Fahimi, erwarte von allen gesellschaftlichen Kräften die gleiche Vernunft und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. »Dazu passt auf keinen Fall der Totalangriff auf unseren Sozialstaat. Teile des Arbeitgeberlagers und der Politik zeigen eine unverhohlene Ignoranz gegenüber der sich immer weiter öffnenden sozialen Schere in unserem Land.«
Auf Web.de News-Fragen zum »schwarz-roten« Bundeskabinett reagierte Fahimi dem Vernehmen nach hingegen kleinlaut. Ein Urteil über die neue Koalition wollte sie nicht abgeben. Nicht nach einer erst rund zweieinhalbmonatigen Amtszeit der Koalitionäre. Aber: Ist »Schwarz-Rot«, hakte der Frager des Nachrichtenportals nach, »eine arbeitnehmerfreundliche Regierung«? Fahimi mit hörbar gesenkter Stimme: »Das weiß ich noch nicht.« Die Bundesregierung müsse erst zeigen, dass sie die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag – etwa zur Stärkung der Tarifbindung oder zur betrieblichen Mitbestimmung – auch umsetze. In der Tat fraglich, ob das passiert.
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Leserbrief von Franz Siklosi aus Einhausen (15. Juli 2025 um 21:29 Uhr)Die Gewerkschaftsbürokratie und ihre politisch Handelnden sind fest im Neoliberalismus integriert. Es wird keine Liste oder einzelnen Kollegen gelingen, in die inneren Führungszirkeln aufzusteigen, wenn sie weiterhin gegen den Kapitalismus agieren. Das Hauptproblem besteht darin, dass es in Deutschland keine vom Staat und Kapital unabhängigen Gewerkschaften gibt. Es lebt sich auch gut innerhalb der Gewerkschaften. Es gibt Gelder und Pöstelschen für angeblich Linke Projekte, die aber mit der Realität der Arbeitswelt nichts zu tun haben. Remember die Erosion der Linkspartei zur Identitätspartei.
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